pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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lischer Politik wusste, zeigte er deshalb bisweilen einen Überdruss an der Erfüllung re-<br />
präsentativer Verpflichtungen - »wieder ein mal Staats-Sklave im Frack« 286 , ein anderes<br />
Beispiel anlässlich des Rundgangs über die Automobil-Ausstellung in Frankfurt und eines<br />
Artikels in der FAZ: »Mein ganzes schlechtes Benehmen ist darin gespiegelt, auch wie ich<br />
Bott [persönlicher Referent] anpfiff, als er mir zum Mit-mir-photographiert-werden die<br />
'Miss Germany' anschleppte, die für Zigaretten-oder Haut-'Creme'-Plakate gewachsen ist.<br />
Man streitet jetzt, ob ich ihn ein Rindvieh genannt habe, was er behauptet, oder einen<br />
Dackel, was ich für möglich halte. Die Volkspsychologen im Amt streiten, ob mir diese<br />
Darstellung 'abträglich' (wegen Grobheit) oder 'zuträglich (wegen Abwehr der Verkit-<br />
schung).« 287<br />
▌ Die grossen Deutschen<br />
In der zweiten Amtszeit ab 1954 wendet <strong>Heuss</strong> sich regelmäßig der Herausgabe eines<br />
fünfbändigen Werks namens »die großen Deutschen« zu. Zusammen mit den Historikern<br />
Heimpel und Reifenberg besorgt er die Neuausgabe der bereits 1935-37 erschienenen<br />
Reihe. Bereits 1937 war <strong>Heuss</strong> dort mit einem Beitrag, über den Ökonomen Friedrich List,<br />
vertreten. 288 »Weil 'wir' uns streiten, Reifenberg, Heimpel und ich, ob Hans Freyer [Ge-<br />
schichtsphilosoph, 1878-1969; Anm. NEZ] , der auch Nazi-Konzessionen gemacht hat,<br />
einen Beitrag für die 'Gr. D.' schreiben dürfte, habe ich gestern dessen neues Buch 'Theo-<br />
rie des gegenwärtigen Zeitalters' zu lesen begonnen [...] - Du siehst, wie komplex mein<br />
Dasein zwischen Männergesangsverein Tumringen und Sinngebung dieser Zeit ist!« 289 Die<br />
Auswahl sowohl der Schreiber als auch derjenigen, über die geschrieben wurde, macht die<br />
geschichtspolitische Dimension deutlich, in der dieses Werk, in das <strong>Heuss</strong> viel private und<br />
dienstliche Zeit investierte, agiert: »Nein, ich schreibe nicht über Brecht, von dem ich<br />
außer der Dreigroschenoper gar nichts kenne. Heimpel und Reifenberg sind dafür. Ich<br />
nicht dagegen, wenn seine dichterische Qualität glaubhaft dargestellt wird. Deutlich muss<br />
dann werden, dass er um der SED willen auch alberne Parteilyrik gemacht hat. [...] Wir<br />
haben uns ja im Ganzen bemüht, 'unbefangen' zu sein, vielleicht auch befangen in der Ab-<br />
lehnung von Tirpitz, Hindenburg u.s.f., aber das wird überstanden.« 290 Das fünfbändige<br />
Werk ist 1957 veröffentlicht worden.<br />
286 Pikart (1970); <strong>Heuss</strong> an Toni Stolper vom 17.10.1958 ; S. 352<br />
287 Pikart (1970); <strong>Heuss</strong> an Toni Stolper vom 21.09.1957 ; S. 260<br />
288 Pikart (1970); S. 526<br />
289 Pikart (1970); <strong>Heuss</strong> an Toni Stolper am 2.1.1956; S.125<br />
290 Pikart (1970); <strong>Heuss</strong> an Toni Stolper am 20.12.1956; S. 228<br />
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