pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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Gerade diese Entscheidung des Präsidenten ist scharf kritisiert worden und nach den<br />
justizmäßigen Verwirrungen signalisierte <strong>Heuss</strong> den Sozialdemokraten, dass er erst nach<br />
der Entscheidung des Verfassungsgerichts über eine neue SPD-Klage eine Entscheidung<br />
über die Ausfertigung des Gesetzes treffen werde. Dies war allerdings insofern unbedeu-<br />
tend, als nach der Bundestagswahl die Regierungskoalition ihre verfassungsändernde<br />
Mehrheit nutzte und am 26.02.1954 die »erste Wehrergänzung« beschloss. Gescheitert ist<br />
die EVG hingegen am Votum der Französischen Nationalversammlung, so wie Adenauer<br />
übrigens bereits im zuvor zitierten Gespräch vermutete. 251<br />
Pikart bewertet die Zurücknahme des Gutachtens »als notwendiges Rückzugsgefecht«<br />
sehen, um das Amt des Bundespräsidenten aus dem »Strudel des Parteienkampfs« her-<br />
auszuhalten. 252 Diese Sichtweise ist jedoch zu stark auf die Selbstsicht des Präsidenten<br />
bezogen. Zu verschwommen berücksichtigt sie das Moment der Instrumentalisierung des<br />
Gerichts, das Pikart selber erkennt: »Bis in den November 1952 glaubte der Bundesprä-<br />
sident [...] das Plenum des Bundesverfassungsgerichts würde sich in seinem Gutachten<br />
einer vernünftigen Lösung im Sinne seiner Vorstellungen, die sich mit denen der Bundes-<br />
regierung deckten, nicht verschließen.« 253 <strong>Heuss</strong> folgt nicht irgendeiner unabhängigen Po-<br />
sition sondern einem in seinen politischen Vorstellungen grundlegend verwurzelten Inter-<br />
esse. Ob er sich von der Regierung hat instrumentalisieren lassen, ist öfter gefragt<br />
worden. Selbstverständlich hat <strong>Heuss</strong> immer betont, dass er sich nicht als den Erfüllungs-<br />
gehilfen der Regierung sehe. Ob das nun heißt, dass er es wenn nicht freiwillig, so unfrei-<br />
willig dennoch war, ist eine offene Frage. Das Urteil von Schwarz lautet folgendermaßen:<br />
»Entschlossene Berechnung des Kanzlers und der Wille des Präsidenten, die Unabhängig-<br />
keit seines Amtes zu bewahren, wirkten so zusammen, die Westverträge um die gefähr-<br />
lichste Klippe zu steuern.« 254 »Berechnung« gegenüber »Willen« – wenn es ein Fazit<br />
dieser Analyse geben kann, dann die, dass Adenauer der taktisch-politisch Versiertere von<br />
den beiden gewesen sein muss. <strong>Heuss</strong> zog aus der Angelegenheit die Konsequenz, nicht<br />
mehr von der Möglichkeit eines Gutachtens Gebrauch zu machen. Nicht zuletzt dank sei-<br />
ner bereits aus Weimarer Zeiten und dem Parlamentarischen Rat stammenden guten Be-<br />
ziehung zum Vorsitzenden des Bundesverfassungsgerichts, Hermann Höpker-Aschoff, ge-<br />
lang es ihm im Nachgang, den Schaden zu begrenzen.<br />
251 Morsey/Schwarz/Mensing (1997): »Umso besorgter sähe er – Bundeskanzler – die innenpolitische<br />
Lage in Frankreich an, das sich jetzt wieder in einer ernsten Regierungskrise befinde. In weiten<br />
Kreisen Frankreichs stehe man der Eingliederung der Bundesrepublik in die EVG mit einer aus<br />
Minderwertigkeitskomplexen stammenden Angst gegenüber, und niemand könne die endgültioge<br />
französische Haltung zur Ratifizierung des Abkommens über die EVG voraussehen.«<br />
252 Pikart (1976); S. 112<br />
253 Pikart (1976); S. 107<br />
254Bracher/Eschenburg,Fest/Jäckel/ Schwarz (1981); S. 177 (Band 2)<br />
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