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pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg

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In den politischen und publizistischen Schlüsselpositionen wurden Männer eingesetzt,<br />

die bereits auf Erfahrungen mit dem politischen System der Weimarer Republik aufzu-<br />

weisen hatten und die »unbelastet« erschienen. Pikart weist auf eine generationelle<br />

Besonderheit hin, die auch durch die Untersuchungen von Zapf bestätigt wird: »Es<br />

handelt sich meist um Personen, die in der Weimarer Zeit zu erstem größeren politischen<br />

Einfluss kamen, die den Nationalsozialismus ablehnten bzw. von ihm abgelehnt wurden,<br />

die in der nationalsozialistischen Zeit aus ihren Ämtern entfernt worden waren, teilweise<br />

emigrierten, die den Krieg überlebt hatten und nach 1945 noch einmal zu größtem und<br />

lang anhaltendem Einfluss kamen.« 80 Herzog weist jedoch darauf hin, dass dies nicht die<br />

von Laswell entwickelte These von der Existenz einer »Gegenelite« im Nationalsozialismus<br />

bestätige. Die Elitenkonfiguration bestünde vielmehr (basierend auf den Untersuchungen<br />

Edingers) aus einer »Koalition von Eliten, deren Mitglieder im Wesentlichen aus Kreisen<br />

solcher Personen kamen, die weder eindeutige Befürworter noch ausgemachte Gegner<br />

des totalitären NS-Regimes gewesen waren.« 81 Abgesehen davon, dass in den Einstel-<br />

lungen der Bevölkerung deutliche Referenzen an den Nationalsozialismus vorhanden<br />

waren, so zeigt die politische Elite, dass man nicht von einer Stunde Null sprechen kann:<br />

Zwar spielte die nationalsozialistische Verstrickung in ihren Reihen eine geringe Rolle (im<br />

Vergleich zu anderen Elitegruppen), aber natürlich wurden über das Personal Kontinuitä-<br />

ten hergestellt, wie wir sie in der Person <strong>Heuss</strong> in einer außergewöhnlichen Form sehen.<br />

Während er bereits im Kaiserreich politisch und publizistisch wirkte, hatten die meisten<br />

der Angehörigen der westdeutschen Elite ihren Berufseinstieg in der Weimarer Republik.<br />

(wenngleich der Berufseinstieg nicht gleichbedeutend mit der Elitenposition ist).<br />

Einleuchtend ist zudem, dass diese Gruppe nicht das gesamte Weimarer Spektrum re-<br />

präsentiert, es fehlen überzeugte Nationalsozialisten, diejenigen, die den Nationalsozialis-<br />

mus nicht überlebt haben und auch diejenigen, die in der sowjetischen Besatzungszone<br />

leben und sich dort am Aufbau beteiligen. Grundlage der Besatzungspolitik war zudem das<br />

Kriterium der »Zuverlässigkeit«, und dementsprechend fielen Personen heraus, die bei-<br />

spielsweise den Kommunisten nahe standen und nicht auf den »white lists« der unbelaste-<br />

ten Personen standen.<br />

Aus dieser Konfiguration erklärt sich auch das Vorhandensein eines starken bürgerli-<br />

chen Einflusses auf die Entwicklung der politischen Kultur und der Ausbildung eines<br />

minimalen Konsenses, eine marktwirtschaftliche, mit dem Sozialstaatsprinzip verbundene<br />

Ordnung anzustreben, ein stabiles Institutionengefüge in einem starken Staat zu schaffen<br />

und diesen gegen den Einfluss von Extremisten zu schützen. Dass diese Vorstellungen<br />

von herausragender Bedeutung für die Politische Kultur der Bundesrepublik sind, ist of-<br />

fensichtlich. Wenn Handelnde auch nur begrenzt vermögen, in kurzer Zeit diffuse Unter-<br />

80 Pikart (1976); S. 12<br />

81 Herzog (1982); S. 69<br />

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