pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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Eher im Schatten der Öffentlichkeit lebt der Orden »Pour Le Merite« oder besser seine<br />
Friedensklasse. Der Orden ist keine Medaille, sondern ein tatsächlicher Zusammenschluss<br />
von Menschen, die laut Satzung »durch weit verbreitete Anerkennung ihrer Verdienste in<br />
der Wissenschaft oder in der Kunst einen ausgezeichneten Namen erworben haben.« Die<br />
Stiftung des Ordens geht auf den preußischen König Friedrich II. zurück (als ein Militä-<br />
rorden). 1842 wurde er durch Friedrich Wilhelm IV. um eine Friedensklasse ergänzt.<br />
Nachdem der Orden 1922 als eine freie Vereinigung weiterbestand, wurde er während des<br />
Nationalsozialismus nicht weitergeführt. Da die Ritterschaft sich selbst ergänzte, war sie<br />
auf regelmäßige Nachwahlen angewiesen, die jedoch vom preußischen Kultusministerium<br />
1934 verboten wurden. 272 Auf Initiative von <strong>Theodor</strong> <strong>Heuss</strong> wählten die letzten drei ver-<br />
bliebenen Pour-Le-Merite-Träger neue Mitglieder hinzu und der Orden konstituierte sich<br />
1952 neu. 1954 übernahm der Bundespräsident das Protektorat über den Orden. Warum<br />
tat er das? Es mag eine Rolle gespielt haben, dass sein Schwiegervater Teil dieses preu-<br />
ßischen »Areopag des Geistes« war. Aber der eigentliche Grund dürfte darin gelegen<br />
haben, sowohl Tradition stiften zu können als auch einen einflussreichen Teil der<br />
kulturellen und wissenschaftlichen Elite langfristig an die Bundesrepublik Deutschland im<br />
Allgemeinen und das Amt des Bundespräsidenten im Besonderen zu binden. In der Selbst-<br />
ergänzungspraxis des Ordens sieht <strong>Heuss</strong> beides, eine traditionelle wie eine gegenwärtige<br />
Bindung. So schreibt er 1942: »Es ist geistesgeschichtlich interessant genug, wie sich in<br />
den Ergänzungen [...] die Auseinandersetzung mit der Gegenwart und das Bedürfnis<br />
spiegeln, die große und bedeutende historische Kontinuität zu wahren.« 273 Insofern<br />
kommt den Ordensträgern eine staatstragende Rolle zu.<br />
Die Konstitution einer Auszeichnungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland ist vor<br />
allem auf <strong>Heuss</strong>' Initiative zurückzuführen. Deutlich wird die den unterschiedlichen Aus-<br />
zeichnungsformen zu Grunde liegenden unterschiedlichen Bindungsziele. Über die Ent-<br />
scheidung, auch nationalsozialistische Orden wieder tragbar zu machen, wurde ein großer<br />
Teil der männlichen Bevölkerung integriert. Auch die Verleihung des Bundesver-<br />
dienstordens hat eine breit angelegte Wirkung, vor allem aber in den untersten beiden<br />
Klassen. Wenn dies auch nahe liegen mag, so besteht doch <strong>Heuss</strong>' origineller Beitrag in<br />
der Organisation von Bindungsangeboten für die kulturell-wissenschaftliche Elite.<br />
▌ Wirkung in die kulturell-wissenschaftliche Elite<br />
Das öffentliche Bild von <strong>Heuss</strong> oszillierte zwischen der bürgerlichen »Volkstümlichkeit«,<br />
mit der er sich gerne als dem Genuss in Form von Zigarren und württembergischen Rot-<br />
272 Pikart/Mende (1963); S. 355<br />
273 Dahrendorf/Vogt (1984); Ein Aeropag des Geistes. Hundert Jahre Friedensklasse des Pour le méri-<br />
te; S. 287<br />
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