pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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dritte Strophe sich zur Nationalhymne für die Bundesrepublik eigne.« 242 Am 14.12.1950<br />
stellte <strong>Heuss</strong> die Hymne dem Bundeskabinett vor und nach seiner Sylvesteransprache im<br />
Fernsehen verlas er den Text des Entwurfs von Schröder. Aus der Besprechung von Kanz-<br />
ler und Präsident vom 2. Februar 1950 erfahren wir, dass <strong>Heuss</strong> nun beabsichtigte, die<br />
Reaktion der Öffentlichkeit zu testen: »Bundespräsident erklärt, er wolle jetzt die Aus-<br />
wirkung der Hymne in Schulen sowie bei den Sportorganisationen und Gesangsvereinen<br />
abwarten.« 243 Adenauers Äußerung vom 17. November 1950 ist jedoch eher als strate-<br />
gisch wahrzunehmen, denn er favorisierte zunehmend die Dritte Strophe des Deutsch-<br />
land-Liedes und setzte sie bei Parteiveranstaltungen ein. Zudem stellte sich ihm die Frage,<br />
ob der Bundespräsident überhaupt befugt ist, eine Hymne zu initiieren und so eskalierten<br />
die Dinge etwas. Auch andere Politiker aus CDU und FDP äußerten ihre Ablehnung gegen-<br />
über <strong>Heuss</strong>' Plänen nun deutlich. Kurt Schuhmacher nannte das Schrödersche Werk am<br />
14.08.1951 einen »Schwäbisch-pietistischen National-Choral« und hielt auch das »Glaube-<br />
Liebe-Hoffnung«-Motiv für nicht angemessen. 244 <strong>Heuss</strong> analysiert rückblickend, dass vor<br />
allem die Haltung Schuhmachers im Endeffekt dazu beigetragen hat, dass der Entwurf<br />
scheiterte, Pikart sieht indes die breite Front der Ablehnung als Ursache: »Als <strong>Heuss</strong> nun<br />
eigentlich von allen Parteien die Unterstützung verweigert wurde, gab er nach. Am<br />
3.4.1952 verfasste er ein Memorandum, in dem er die Form seines Einlenkens niederleg-<br />
te. Er entwarf selbst einen Brief, den der Kanzler ihm schreiben sollte, und gleichzeitig<br />
seine Antwort.« 245 Der Briefaustausch fand am 29.4. und am 2.5. 1952 statt.<br />
Im Rückblick verwundert die Wahl des Verfahrens. Der übliche Weg wäre gewesen,<br />
vorher mit den wichtigsten Parteien oder zumindest vertraulich mit Repräsentanten zu re-<br />
den. Erst dann wäre eine Auftragserteilung sinnvoll. Abgesehen davon, kann man auch<br />
darüber streiten kann, ob das Vergabeverfahren geeignet war (Beauftragung eines<br />
Freundes der Familie) und ob <strong>Heuss</strong> politische Klugheit in der Formulierung des Auftrags<br />
selber gezeigt hat: Nämlich eine Hymne mit einem christlichen Grundbezug zu schaffen.<br />
So sehr es das Verdienst des ersten Bundespräsidenten war, die Frage geeigneter natio-<br />
naler Symbolik zu thematisieren anstatt einfach pragmatisch auf einen beliebigen Tradi-<br />
tionsbezug zurückzugreifen, so sehr verwundert seine politische Umsetzungsstrategie, die<br />
die Rolle des Präsidenten zu über- und die der Fraktionsvorsitzenden eher zu un-<br />
terschätzen scheint.<br />
242 Morsey/Schwarz/Mensing (1997); Besprechung Nr 2 vom 08.05.1950; S. 41<br />
243Morsey/Schwarz/Mensing (1997); S. 53<br />
244Morsey/Schwarz/Mensing (1997); S. 359 (Anm. 33); Pikart (1976); S. 98<br />
245Pikart (1976); S. 98<br />
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