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pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg

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Bundeskanzler und Präsident gemeinsam den Verteidigungsfall verkünden). In diesem<br />

Sinne ist auch die Verweigerung einer Unterschrift unter ein Gesetz zu einer Aus-<br />

nahmesituation zu zählen. Interessant ist in diesem Fall die Organklage des Bundesrats<br />

gegen den Bundespräsidenten vom 24.1.1958. Dieser hatte im Juli 1957 das Stiftungsge-<br />

setz zur Errichtung der »Stiftung preußischer Kulturbesitz« unterzeichnet, obwohl die<br />

Länder der Auffassung waren, zustimmungspflichtig zu sein. 233 Zu <strong>Heuss</strong>' Zeiten hatte der<br />

Bundespräsident zudem das im Bundesverfassungsgericht-Gesetz fixierte Recht, das<br />

Verfassungsgericht um ein Rechtsgutachten zu ersuchen, was <strong>Heuss</strong> auch zweimal prakti-<br />

zierte.<br />

Diese Zurückdrängung des Bundespräsidenten aus der Tagespolitik legt eine weitge-<br />

hend neutrale oder überparteiliche Amtsauffassung nahe, obwohl die Wahl des Bundes-<br />

präsidenten, immer mit der Parteiarithmetik im politischen System verknüpft war. Bun-<br />

despräsidentenwahlen machen häufig die Kräfteverhältnissen in Bund und Ländern<br />

sichtbar (und haben damit eine seismographische Funktion).<br />

Die Konstruktion des Amts bringt es mit sich, dass jedes Staatsoberhaupt den Spiel-<br />

raum hat, das Amt selbst mitzudefinieren. Auch <strong>Heuss</strong> versuchte es stärker mit den aktu-<br />

ellen politischen Prozessen zu verknüpfen: So wünschte er eine Unterrichtung des<br />

Bundespräsidenten über die Kabinettsposten durch eine Liste, wurde dabei von Adenauer<br />

jedoch ausgebremst, wohl, weil dies ein Gewohnheitsrecht hätte konstituieren können.<br />

Auch der Bitte von <strong>Heuss</strong>, an den Kabinettssitzungen teilnehmen zu dürfen, wurde nicht<br />

entsprochen, in der Regel nahm aber der Chef des Bundespräsidialamts daran teil und zu<br />

besonderen Anlässen und sehr selten auch <strong>Heuss</strong> selbst. Dass er in besonderen Fällen<br />

versuchte, Dinge in das Kabinett zu bringen, beweist eine Äußerung im Briefwechsel mit<br />

Toni Stolper: »In der Saar-Frage hat sich das Kabinett, das auf meine Bitte sich damit<br />

eingehend damit beschäftigt, meine Bedenken und Anregungen akzeptiert.« 234<br />

Kanzler und Präsident tauschten sich regelmäßig in Vier-Augen-Gesprächen aus. Zwi-<br />

schen 1949 und 1959 gab es 74 Unterredungen. 235 Diese Unterredungen sind im Blick auf<br />

die politischen Prozesse nicht unbedeutend, wenn sie auch nicht konstitutionell verankert<br />

sind. Denn es wurde vor allem über die Tagespolitik geredet: Sei es, dass Adenauer über<br />

Personalfragen berichtete (und klagte), sei es, dass anstehende Entscheidungen erörtert<br />

wurden oder dass Postenbesetzungen insbesondere im Auswärtigen Dienst thematisiert<br />

wurden. Überhaupt nahm das Feld der Außenpolitik eine zentralen Platz bei diesen Un-<br />

terredungen ein: Dies gerade vor der Souveränität 1955, ab der <strong>Heuss</strong> Staatsbesuche<br />

machen durfte.<br />

233 Pikart (1970); Anmerkungen 304, 8; S. 584<br />

234Pikart (1970); <strong>Heuss</strong> an Toni Stolper 05.12.1956; S. 222<br />

235 siehe Morsey/Schwarz/Mensing (1997)<br />

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