pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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verfassungsgemäßen Rang von <strong>Heuss</strong> als ideell über ihm stehend entspräche, soll nicht<br />
gewagt werden. Adenauer war sich bewusst, dass er auf dem unebenen Terrain der Politik<br />
immer derjenige mit dem robusteren Schuhwerk war.<br />
<strong>Heuss</strong> versucht gegen diese Beschränkungen des Amts keine Gegenposition aufzubau-<br />
en, wird deshalb nicht machtbewusster. Statt seine repräsentative Funktion in die Nähe<br />
der Tagespolitik zu stellen und »öffentlich zu intervenieren« nimmt er eine im Hintergrund<br />
agierende und sich überparteilich definierende aber intern die Regierung unterstützende<br />
Rolle ein. Wenn also in der Öffentlichkeit öfter vom Gegensatz <strong>Heuss</strong>-Adenauer die Rede<br />
ist, dann entspricht dies im Wesentlichen zwar den unterschiedlichen Grundeinstellungen<br />
der beiden, nicht jedoch deren politischer Beziehung. Die Tatsache, dass sich Menschen<br />
von <strong>Heuss</strong> angezogen fühlten, die Adenauers Politik ablehnten, lässt nicht vermuten, dass<br />
<strong>Heuss</strong> eine im Ergebnis andere Politik als Adenauer verfolgte.<br />
Anders sieht dies im Bereich der Zeichenpolitik aus, in der Gestaltung des »wie«: Sen-<br />
sibler als der Kanzler war <strong>Heuss</strong> in der Einschätzung durch Symbole erzielbarer<br />
Wirkungen. Dies ist einer der Hauptpunkte in der Hymnenfrage und taucht immer wieder<br />
auf, etwa in der Helgoland oder bei der Eingliederung des Saarlands. Bei der Einführung<br />
staatlicher Auszeichnungen kann sich <strong>Heuss</strong> im Wesentlichen mit seinen Vorstellungen<br />
durchsetzen. Die Wiedererweckung des »Pour le mérite« mit der Ansammlung unzähliger<br />
»Männer von Rang« kann man dabei als <strong>Heuss</strong>-typischste Auszeichnung sehen. Bis heute<br />
ist sie ein Instrument der Bindung in- und ausländischer Intelligenz an die Bundesrepu-<br />
blik. Dieser Zielgruppe gilt auch ein Großteil der <strong>Heuss</strong>'schen Bemühungen. So gelten<br />
einige der wichtigsten <strong>Heuss</strong>-Reden einem geschlossenen Kreis. <strong>Heuss</strong> redet vor Politik-<br />
wissenschaftlern, Journalisten, Offizieren. In der Öffentlichkeit setzt sich allmählich das<br />
Bild des gemütlich-humorigen Papa <strong>Heuss</strong> durch, der als der nette Mensch von Bonn<br />
neben dem strengen Adenauer steht. In seiner öffentlichen Programmatik stehen drei Be-<br />
griffe im Vordergrund: »Entkrampfung«, »Mäßigung« und »Verkitschung.« Das Verhältnis<br />
der Bürger zur Staatsspitze ordnet <strong>Heuss</strong> mit dem Schlagwort der Entkrampfung neu. Mit<br />
dem Begriff der Mäßigung ist sein politisch-kulturelles Erziehungsprogramm umschrieben.<br />
Unter andauernden Popularitätsgaben wächst bei <strong>Heuss</strong> schließlich die Befürchtung der<br />
»Verkitschung« seiner Person - nicht zu unrecht. Demzufolge steht die personale Bindung<br />
der Bürger über Volkstümlickeit und die dem staatlichen Amt angemessene Distanz in<br />
einem widersprüchlichen Verhältnis. <strong>Heuss</strong> changiert hier zwischen diesen Polen.<br />
In seinen zeichenpolitischen Beiträgen versucht <strong>Heuss</strong> sowohl neue Deutungen durch-<br />
zusetzen als auch konträr dazu stehende Positionen zu integrieren. Seine Standpunkte<br />
zum Beispiel zum Nationalsozialismus oder zur Bundeswehr drücken auf der einen Seite<br />
eine Modernität aus, die ihrer Zeit voraus zu sein scheint. Auf der anderen Seite führt das<br />
nie zu einer Entfernung von den Mainstream-Positionen: Schuld ja aber nicht generell, Ar-<br />
mee unbedingt, aber demokratischer als diese – Gegner und Befürworter können sich<br />
immer zumindest in Teilen wiederfinden.<br />
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