pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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abwartend vorgeht, so ambivalent bleibt seine Haltung zu den deutschlandpolitischen Wei-<br />
chenstellungen. Auf der einen Seite ist er Realist genug, um die entstehende Lage zu se-<br />
hen und zieht mit der Aufkündigung des Bündnisses mit der Ost-LDP die parteiinternen<br />
Konsequenzen aus der Spaltung Deutschlands. Auf der anderen Seite beteiligt er sich zu-<br />
rückhaltend an den mit den Frankfurter Dokumenten verbundenen Debatten, was ihn ge-<br />
rade von der Einflussnahme der Parteivorsitzenden von CDU und SPD unterscheidet.<br />
Auch auf die wichtigen Prädispositionen des Konvents von Herrenchiemsee nimmt er<br />
keinen Einfluss.<br />
Ganz im Gegensatz dazu füllt er seine Rolle als FDP-Fraktionsvorsitzender im Parla-<br />
mentarischen Rat aus. Das hängt zum einen mit der besonderen Situation zusammen,<br />
dass die Fraktion in sich nur geringes Konfliktpotenzial barg und dass sie ihre mittlere Po-<br />
sition geschickt zu nutzen wusste. Sowohl dieser Umstand als auch die generell besondere<br />
Arbeitsweise des Parlamentarischen Rats (was gerade für den Ausschuss für Grundsatz-<br />
fragen gilt) bringen die Diskussions- und Vermittlungskompetenzen von <strong>Heuss</strong> voll zur<br />
Geltung. Damit profiliert er sich grundlegend anders als Adenauer oder Schuhmacher.<br />
Wenn zuvor geschrieben wurde, dass das Amt des Bundespräsidenten <strong>Heuss</strong> näher ge-<br />
legen hätte, als das eines Fraktionsvorsitzenden im Bundestag oder das eines Ministers,<br />
so weist dies auf <strong>Heuss</strong>' Vorliebe für die »großen Linien« hin und für den Politikbereich,<br />
der symbolische Bedeutung besitzt: Die der Demokratie angemessene Form der Re-<br />
präsentation, die sich unter anderem im Namen und in den Staatssymbolen widerspiegelt,<br />
gehört dazu. Auch die Formulierung ihre Selbstbildes zum Beispiel in der Präambel be-<br />
trachtet er eher als identitätspolitischen Akt, denn als juristische Textproduktion.<br />
4.4 Bundespräsident<br />
Die Nominierung von <strong>Heuss</strong> um Bundespräsidenten geht auf das als »Rhöndorfer Konfe-<br />
renz« bezeichnete informelle Treffen der CDU-Spitze im Haus von Konrad Adenauer zu-<br />
rück. Hier fielen die Entscheidungen, eine Koalition mit DP und FDP eingehen zu wollen,<br />
Adenauer zum Kanzler zu machen und <strong>Heuss</strong> zum Bundespräsidenten. In den Worten des<br />
zukünftigen Kanzlers. »Da die zweitstärkste Fraktion in der Regierung die FDP sein würde,<br />
schlug ich vor, Professor <strong>Heuss</strong> das Amt des Bundespräsidenten zu übertragen.« 229 Heißt<br />
dies nun, dass <strong>Heuss</strong> das Amt seiner parteipolitischen Position nach verdankt? Pikart weist<br />
darauf hin: »Nie wurde, wie z.T. in der Weimarer Zeit, eine 'unabhängige', über den<br />
Parteien stehende Persönlichkeit gesucht.« 230 Auf der anderen Seite ist es gerade <strong>Heuss</strong>,<br />
der dies etwas anders betont: »Es ergab sich im Parlamentarischen Rat, dass ich durch<br />
229 Konrad Adenauer: Erinnerungen S. 228; zit. nach Pikart; S. 27<br />
230 Pikart (1976): S. 28<br />
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