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gewährleistet waren, wie wir in diesem Staat uns zu bewegen lernten, hat sich unmerklich<br />
ein neuer, zweiter Patriotismus ausgebildet.« 71 Der Gedanke eines solchen sowohl empi-<br />
rischen als auch normativen demokratischen Patriotismus diffundierte bis über die acht-<br />
ziger Jahre hinaus in den Bereich des common sense.<br />
2.2 Politische Elite nach 1945<br />
Elite und Bevölkerung unterscheiden sich sowohl in ihren Handlungsmöglichkeiten als<br />
auch in ihren Einstellungen. Dies manifestiert sich beispielsweise in Ansichten zu poli-<br />
tischen Kernfragen. In den ersten Nachkriegsjahren stießen die Gedanke einer demokra-<br />
tisierten Wirtschaftsverfassung und der Sozialisierung von Industrien zunächst auf große<br />
Befürwortung in der Bevölkerung. In den Fällen, in denen Landtage Schritte in diese Rich-<br />
tung beschlossen, intervenierte allerdings auch die Besatzungsmächte (wie zum Beispiel in<br />
Nordrhein-Westfalen). Auch in der Frage der »Wiederbewaffnung«, also der Errichtung<br />
einer westdeutschen Armee im Rahmen eines westlichen Militärbündnisses, spiegelte sich<br />
ein Grunddissens zwischen Bevölkerung und politisch Handelnden wider: Im Dezember<br />
1949 antworteten auf die Frage, ob sie wieder Soldat werden möchten, 74,6% mit<br />
»nein« 72 . Auch 1952 während der Beratungen über die »Europäische Verteidgungsge-<br />
meinschaft (siehe auch im vierten Kapitel) antworteten lediglich 36% mit Ja (gegenüber<br />
50% Nein-Stimmen) auf die Frage: »Sind Sie für den Aufbau einer neuen deutschen<br />
Wehrmacht im Rahmen einer Europa-Armee?« 73 Eine zeitgleich in Großbritannien durch-<br />
geführte Untersuchung bot das gegenläufige Bild (44% ja; 29% nein). Dessen ungeachtet<br />
verfolgte die Regierung Adenauer bereits seit 1949 den Aufbau neuer militärischer Struk-<br />
turen.<br />
Gerade auch im Bereich des politischen Extremismus handelten die im Bundestag<br />
vertretenen Parteien konsequent. Die am 2.Oktober 1949 in Hameln gegründete »Sozia-<br />
listische Reichspartei« eine neofaschistische Organisation, begegnete ebenso wie die<br />
»Kommunistische Partei Deutschland« zunehmenden Einschränkungen in der politischen<br />
Arbeit. Das Strafgesetzbuch wird 1951 um das Delikt der »Staatsgefährdung« erweitert.<br />
Es folgten Verbote von Vorfeldorganisationen, Medienzensur und 1952 werden beide<br />
Parteien verboten. Wenn auch die Auffassungen über die angemessene Art der Auf-<br />
arbeitung des Nationalsozialismus Anlass zu heftigen Kontroversen lieferte, bildete sich in<br />
71 Sternberger (1990); S. 13<br />
72 nach Kraushaar, Wolfgang (1996/Band1); S.172; nach einer Umfrage von EMNID für den SPIEGEL<br />
(17.01.1950)<br />
73 nach Kraushaar, Wolfgang (1996/Band1); nach einer Umfrage des Allensbach-Instituts für den<br />
SPIEGEL (21.04. 1952)<br />
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