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pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg

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tung sehr hoch eingestufte Rede Standard setzend, weil sie einer Geschichtssicht zum<br />

Durchbruch verholfen, die den Widerstand aus dem Umfeld des Kriminellen herausgeführt<br />

hat. Auf der anderen Seite wird eine neue Legendenbildung nahe gelegt, die in den<br />

folgenden Jahrzehnten eifrig gepflegt wird. Die »Männer des 20.Juli« monopolisieren den<br />

Widerstand, Fragen nach Schuld und Gesinnung werden tabuisiert. Wenn das Motiv, den<br />

Widerstand zu entkriminalisieren, ehrenvoll sein mag, so ist doch fraglich, ob diese af-<br />

firmative Monumentalisierung eine sinnvolle Weiterentwicklung der Gedenkstandards ist.<br />

Wenn hier der Versuch gemacht wird, eine deutsche Widerstandstradition zu imple-<br />

mentieren, so sucht <strong>Heuss</strong> gleichzeitig den engen Kontakt zu den in Deutschland lebenden<br />

Juden. Wie bereits erwähnt, nutzt er die »Woche der Brüderlichkeit« und wertet sie auf zu<br />

einem Forum für den christlich-jüdischen Dialog. 1952 gibt er ihr über eine Rundfunkan-<br />

sprache die notwendige Publizität, nimmt darüber hinaus an den Gründungen christlich-<br />

jüdischer Gesellschaften teil, die in den fünfziger Jahren an vielen Orten entstehen. Auch<br />

in den Vier-Augen-Gesprächen mit dem Bundeskanzler kommen jüdische Themen ge-<br />

legentlich zur Sprache.<br />

▌ Wehrpflicht und Armee<br />

Wie schon an verschiedenen Stellen beschrieben wurde, konnte sich <strong>Heuss</strong> Staatlich-<br />

keit ohne Armee nicht vorstellen. Schon im Parlamentarischen Rat hat er die Wehrpflicht<br />

als ein »legitimes Kind der Demokratie« gesehen, auch im Zuge der Diskussionen um die<br />

Europäische Verteidigungsgemeinschaft betont er den natürlichen Zusammenhang von<br />

Souveränität und Landesverteidigung. Die Armee ist demnach ein natürlicher Bestandteil<br />

der politischen Kultur. »Die geschichtlich interessanteste Fragestellung in der Entwicklung<br />

der Stilfragen bildete und mag wieder bilden das Problem des Soldatischen.« 313 Das<br />

Prinzip der »Levée en masse« ist dabei in zwei Richtungen dienlich: Sie demokratisiert die<br />

Streitkräfte und umgekehrt eröffnet der Militärdienst einen gemeinsamen Kommunika-<br />

tionsraum. Originellerweise führt <strong>Heuss</strong> die parallelen Erfahrungen Israels an. »Schon vor<br />

vielen Jahren habe ich schon einmal gesagt, welche Bedeutung der hebräischen Kom-<br />

mandosprache des Heeres zukommt. Das Zusammenwachsen von sehr vielen Herkünften<br />

ist eine pädagogische, organisatorische – ich will nicht sagen: militärische – Leistung,<br />

denn in den Schulen ist die Grundsprache ganz selbstverständlich das Hebräische geworden<br />

[...]« 314<br />

Wenngleich <strong>Heuss</strong> die prinzipielle Notwendigkeit militärischer Strukturen immer wieder<br />

betont, so begleitet er die Einrichtung der Bundeswehr kritisch, insbesondere im Bereich<br />

der Traditionsbildung. Um dies nachvollziehen zu können, muss auf <strong>Heuss</strong>' Vorstellungen<br />

313 Dahrendorf/Vogt (1984); Stilfragen der Demokratie; S. 461<br />

314 Lamm (1964); Reiseeindrücke aus Israel (28.06.1960); S. 213<br />

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