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pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg

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etwas aberziehen.« 280 Großindustrielle Kreise gehören ebenfalls dazu: »Abend intimes<br />

Essen bei Alfried Kr[upp], der mir gegenüber immer locker wird.« 281 Gelegentlich trifft er<br />

auch alte politische Weggefährten. Zu erwähnen wäre der von ihm verehrte ehemalige<br />

Reichswehrminister Otto Gessler oder Heinrich Brüning, dessen Kabinett er ab 1930 als<br />

Geschäftsführer der Staatspartei-Fraktion unterstützt.<br />

▌ Breitenwirkung<br />

In der ersten Amtsperiode (1949-1954) bestand die Aufgabe <strong>Heuss</strong>' in der stärkeren<br />

Repräsentation nach innen: »Die Zeit war noch fern, in der der Bundespräsident die<br />

Bundesrepublik durch Staatsbesuche nach außen vertreten und sichtbar machen<br />

sollte.« 282 Dabei war sich <strong>Heuss</strong> jedoch bewusst, dass in der besonderen Situation des<br />

westdeutschen Staats eine solche nach innen gerichtete Arbeit zwangsläufig eine außen-<br />

politische Komponente hatte. In diesem Sinne galt es ein anderes Modell politischer<br />

Tugenden sichtbar zu machen, dass vor allem die »maßvollen« und vernünftigen Aspekte<br />

der politischen Prozesse zu popularisieren. Sein zentrales Stichwort bei der auf Breiten-<br />

wirkung angelegten Repräsentation ist nach eigenen Worten die »Entkrampfung«: »Ich<br />

habe mein unmittelbares Regierungsprogramm in das einfache Wort gepackt: Entkramp-<br />

fung. Damit ist natürlich noch nicht die oder die konkrete Entscheidung geleistet, aber<br />

eine psychologische Situation geschaffen, die die innere Gesundung der Deutschen<br />

erleichtert.« 283<br />

Die äußere durch Insignien der Herrschaft generierte Distanz zum Bürger weicht einer<br />

nach außen gekehrten jovialen Zivilität, die gleichzeitig Ausdruck bürgerlichen Selbstbe-<br />

wusstseins ist: Mit <strong>Heuss</strong> ist das Modell des Bürgers in (wenn auch mit »Verspätung«) in<br />

die obersten Spitzen des politischen Systems eingedrungen. <strong>Heuss</strong> hatte zudem die Gabe,<br />

sich interessieren zu können. Deshalb konnte er unbefangen mit Stenographie-Weltmeis-<br />

terinnen wie mit Pour le mérite-Trägern kommunizieren.<br />

In der breiteren öffentlichen Wirkung, auf Marktplätzen, Messen, im Kontakt mit »der<br />

Bevölkerung« gab er sich betont bescheiden, umgänglich, spontan und humorvoll. Dies<br />

führte schnell zu einer von ihm zwiespältig wahrgenommenen Popularität. Vor allem in der<br />

zweiten Amtszeit sprach er öfter von der »Verkitschung« 284 seiner Person: »Die 'Populari-<br />

tät' als Dauerzustand der Verbands-'Integration' kann nämlich, das ist mein Sorgegefühl,<br />

dem Amt als solches abträglich werden.« 285 Obwohl <strong>Heuss</strong> um die Wichtigkeit symbo-<br />

280 Pikart (1970); <strong>Heuss</strong> an Toni Stolper am 18.10.1955; S. 79<br />

281 Pikart (1970); <strong>Heuss</strong> an Toni Stolper am 20.11.1961; S.500<br />

282 Pikart (1976); S. 35<br />

283 Baumgärtner (2001); S. 144<br />

284 <strong>Heuss</strong> benutzt das Wort immer wieder, z.B.: Pikart (1970) S.40, S.85<br />

285 Pikart (1970); <strong>Heuss</strong> an Toni Stolper am 27.10.1955 ; S. 86<br />

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