pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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temischen Einflüsse. Ein demokratischer Stil ist demnach etwas Ähnliches wie »Civic<br />
Culture«, die in der »Bürgergesellschaft« vorkommende spezielle Konfiguration von Ein-<br />
stellungen, Institutionen und Akteuren.<br />
Dieser Stil ist nach <strong>Heuss</strong> nicht nur eine politische Wunschvorstellung, sondern gerade<br />
auch eine empirische (ökonomisch-kulturelle) Tatsache, die alte Naumannsche Träume<br />
wahr werden lässt: »Was Reinhold Mayer mir in seinen grundsätzlichen Erörterungen<br />
falsch zu machen scheint, ist dies, dass er oft geneigt ist, Arbeiterschaft und Sozial-<br />
demokratie gleichzusetzen. Nach meinem Gefühl stellt sich die soziologische Struktur der<br />
Gegenwart wesentlich anders dar. In der Arbeiterschaft ist längst im Gange, was ich<br />
schon vor Jahren einmal den 'Verbürgerlichungsprozess' genannt habe.« 103<br />
▌ Zentralität der Bürgergesinnung<br />
Die zentrale Quelle der politischen Legitimation ist bei <strong>Heuss</strong> die »Bürgergesinnung«:<br />
»Gibt es aus der freien Bürgergesinnung, die die aktuelle Legitimierung dieses Staats sein<br />
soll und alleine sein kann, die Möglichkeit, eine Formkraft zu entwickeln, dass sie ihren<br />
'Stil' gestalte?« 104 Interessant ist hier eine Nähe der bei <strong>Heuss</strong> gefundenen Konzeption<br />
politischer »Form« zu der, die man in einer Schrift von Max Weber aus dem Jahr 1918 fin-<br />
det: »Die Entwicklung einer wirklich vornehmen und zugleich dem bürgerlichen Charakter<br />
der sozial maßgebenden Schichten angemessenen 'deutschen Form' liegt jedenfalls noch<br />
im Schoß der Zukunft.« 105 Bürgersinn übernimmt zwei Funktionen im Bereich des Metapo-<br />
litischen: zum einen die Unterstützung des Politischen durch die Gabe von Legitimation,<br />
zum anderen durch die Entfaltung von »Formkraft.« Diejenigen, die diese Formkraft ent-<br />
falten sollen, sind die Bürger.<br />
▌ Ehrenamt als Auslesestelle<br />
Den Personen, die diesen Bürgersinn tragen, macht <strong>Heuss</strong> die Bereitschaft zum<br />
»Ehrenamt« zur Aufgabe und Lust: »Demokratie lebt nur aus dem Ehrenamt und nicht<br />
bloß im kommunalen Bereich.« Es hat vor allem die Funktion der Auslese derjenigen, die<br />
für verantwortungsvolle Positionen in Frage kommen: An einer Stelle spricht <strong>Heuss</strong> davon,<br />
dass »das gemeindliche und andere Ehrenamt als Auslesestelle der Bewährungen« zu be-<br />
trachten sei. 106 An anderer Stelle diskutiert er den Ehrenamtsbegriff in Bezug zum von<br />
ihm ungern benutzten Begriff »Elite«: »Das 'Ehrenamt' als Gerüst der Demokratie zu pre-<br />
digen, ist seit Jahrzehnten mein 'Hobby', doch immer mit der Korrektur des Begriffs 'Elite',<br />
103 Henning (1983); <strong>Theodor</strong> <strong>Heuss</strong> an Thomas Dehler vom 25.11.1952; S. 85<br />
104 Dahrendorf/Vogt (1984); Formkräfte der politischen Stilbildung; S. 219<br />
105 Weber (1918); S. 41; Weber (1999); S. 315<br />
106 Pikart (1970); <strong>Theodor</strong> <strong>Heuss</strong> an Toni Stolper am 24.10.1958; S.358<br />
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