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pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg

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Leute, zumal solche, die Aufsätze über die so genannten 'Spielregeln der Demokratie'<br />

fabrizieren, meinen, das Wesen der Politik sei in dem Kampfspiel von 'Regierung' und 'Op-<br />

position' beschlossen. Es fällt mir nicht ein, die Gegensätzlichkeit von Anschauungen oder<br />

Interessen im politischen Raum zu verharmlosen; sie ist ein belebendes Element des An-<br />

triebs und Kraft der Kontrolle. Aber sie darf nie zum politisch-technischen Selbstzweck<br />

erstarren, bei dem ein gescheites Wort als dumm gilt, eine verständige Handlung als<br />

falsch, nur weil sie im anderen Lager gesprochen oder vollzogen wurden.« 148<br />

Damit nimmt <strong>Heuss</strong> Bezug auf eine Äußerung Kurt Schuhmachers. Die <strong>Heuss</strong>che Vor-<br />

stellung von Opposition steht wuer zum Politikverständnis Adenauers. Mit seiner bereits<br />

auf der »Rhöndorfer Konferenz« im Mai 1949 innerhalb der CDU durchgesetzten kleinen<br />

Koalition verfolgte er schließlich die Strategie, Allparteienkoalitionen zu vermeiden und<br />

eine bewusste Zuspitzung des politischen Prozesses zu erreichen, die sich weniger am<br />

Modell der Weimarer Koalition als am britischen Modell der Konkurrenzdemokratie<br />

orientiert. »Die andere Veränderung betrifft das sich erst in den ersten beiden Kabinetten<br />

Konrad Adenauers herausbildende gewandelte Demokratieverständnis, welches das<br />

englische Vorbild aufnimmt und von einem Ringen zwischen Regierungsparteien und Op-<br />

position ausgeht. Den Parteien fällt damit die Rolle der Mehrheitsbeschaffung für die<br />

Kanzlerbestellung zu, die an die Stelle der noch 1949 vorherrschenden Funktion einer an-<br />

teiligen Repräsentation gesellschaftlicher Interessen getreten ist und damit die Bildung<br />

großer Volksparteien erst ermöglichte.« 149 Damit wird dem traditionell konkordanten Aus-<br />

richtung des politischen Systems eine konkurrenzdemokratische Komponente beigefügt<br />

und durchgesetzt.<br />

▌ Bildung als Inklusionsquelle<br />

<strong>Heuss</strong> hatte eine ausgeprägte qualitative Vorstellung von Politik, die zuallererst an Bil-<br />

dung gekoppelt ist. Deutlich wird diese bildungsbürgerliche Vorstellungswelt an <strong>Heuss</strong>'<br />

Personenbeschreibungen: Als höchste Form der Anerkennung kann man einen »klugen«<br />

»geistvollen« »Staatsmann« »von Rang« und »innerer Spannkraft« sehen, ambivalent,<br />

aber immerhin eher positiv konnotiert, ist das Attribut »brav.« Der von <strong>Heuss</strong> sehr ge-<br />

schätzte »Tafelaufsatz im Proletarierhaushalt« Carlo Schmid 150 entsprach demnach den<br />

Vorstellungen von Niveau, und <strong>Heuss</strong> verband eine politische Freundschaft mit diesem<br />

Quereinsteiger in der SPD. Neben der allgemeinen Bildung konstituierte auch das ange-<br />

messene Verhalten den Unterschied - besonders sensibel reagiert <strong>Heuss</strong> auf Grobheit und<br />

kann dabei den üblichen, indirekten Tonfall verlassen: »Lieber Dehler, die Meinung, ich<br />

könnte Sie ermuntern, auf die Rolle des enfant terrible für eine Zeit zu verzichten, habe<br />

148 Dahrendorf/Vogt (1984); <strong>Theodor</strong> <strong>Heuss</strong>: Sylvesteransprache 31.12.1950 ; S. 403<br />

149 Mommsen (1998)<br />

150 Pikart (1970); <strong>Heuss</strong> an Toni Stolper vom 28.11.1956 ; S. 220<br />

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