pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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▌ Zusammenfassung: Parteipolitik<br />
Wenn man die Positionierung von <strong>Heuss</strong> zu den aktuellen parteipolitischen Themen der<br />
Zeit betrachtet, fällt seine zögernde Grundhaltung auf: Bei der Fusionierung der liberalen<br />
Parteien verhält er sich eher defensiv und reagierend. Auch in den deutschlandpolitischen<br />
Debatten ist er zunächst nicht präsent. Erst nach dem Bruch mit der Ost-LDP beendet er<br />
seine »Sendepause« (Heß) und orientiert sich auf die Westbindung. Das Gespür für die in-<br />
nerparteilichen Dynamiken scheint weniger zu seinen Stärken gehört zu haben, wenn er<br />
auch in Zusammenarbeit mit Ernst Meyer die FDP-Gründung unter den selbst gesetzten<br />
Vorzeichen bewerkstelligt und erster Bundesvorsitzender wird. Gleichzeitig nimmt sein<br />
Einfluss ab, wohingegen der rechte Flügel an Einfluss hinzugewinnt. Die Zeit vor der Wahl<br />
von <strong>Heuss</strong> zum Bundespräsidenten ist geprägt von einem pragmatischen Überdecken<br />
dieser Gegensätze. Im Nachfolgenden nimmt <strong>Heuss</strong> eine seiner Partei gegenüber zurück-<br />
haltende Position ein und wird auf Wunsch hin und wieder vermittelnd aktiv.<br />
Interessant ist eine von Becker zitierte Einschätzung der amerikanischen Militärre-<br />
gierung: »<strong>Heuss</strong> has also serious shortcomings. One of them is that he has grown old.<br />
Another one is the fact that although he is certainly an author [...], although he is possib-<br />
ly a statesman, he is not a politician, not an organizer, and that his appeal to mass au-<br />
diences may be doubted.« 184 Wenn die Absolutheit der Einschätzung zwar zu hinterfragen<br />
ist, so scheint einiges für die These zu sprechen. Dadurch aber, dass <strong>Heuss</strong> über die<br />
Arbeit im Parlamentarischen Rat der FDP ein alternatives Profil zu dem der FDP-Wirt-<br />
schaftsrat-Fraktion geben konnte, konnte er seine »staatsmännischen« Stärken zur<br />
Geltung bringen, und mit Publizität verknüpfen. Dies ist ein Zufall, denn sowohl Aufgabe<br />
als auch Politikstil des Rates sind bis heute außergewöhnlich geblieben. Die Ausübung des<br />
Bundespräsidenten-Amts schließlich sicherte ihm die Möglichkeit, den Parteivorsitz abge-<br />
ben zu können, bevor die Flügelkämpfe sich verschärfen. Dass er aus diesen als ein<br />
Sieger heraus vorgegangen wäre, kann man bezweifeln. Dabei hätte er sich konflikt-<br />
trächtiger positionieren müssen, Mehrheiten organisieren und zusätzlich noch die Rolle der<br />
Partei in der Regierungskoalition im Auge haben müssen. Dies entsprach jedoch nur be-<br />
dingt seinem Politikverständnis.<br />
4.3 Verfassungspolitik<br />
Mehrere Jahre war ungeklärt, in welcher Form und in welchem Rahmen sich deutsche<br />
Politik entfalten werden kann. Seit Februar/März 1948 konkretisierte sich dies. Vom 23.-<br />
26. Februar 1948 konferierten die drei westlichen Alliierten, unter Beteiligung der Bene-<br />
lux-Staaten über die Zukunft der drei Besatzungszonen und ihre engere Kooperation. Ins-<br />
184 Becker (2003); S. 141<br />
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