pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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1958 dient vor diesem Hintergrund nicht nur der Repräsentation der westdeutschen Repu-<br />
blik, sondern auch der Bindung der alten demokratischen Elite an das neue Westdeutsch-<br />
land und bietet dieser Gruppe einen informellen Zugang zu der neuen politischen Elite.<br />
Ähnliches trifft auch auf den Besuch in Großbritannien im Oktober 1958 zu: »In der<br />
Botschaft hatte ich dann 30-40 Leute, so ziemlich alles Emigranten, aber auch V.Gollancz,<br />
zum Essen eingeladen etwa Bonn, Demut, Zeitlin, die Eycks, u.s.f. auch die Stuttgarter<br />
Mainzers, Baecks Tochter [...]« 277<br />
Auch in Bezug auf andere Gruppen ist <strong>Heuss</strong> ein erfolgreicher Integrator. Dies wird<br />
insbesondere an seinem Engagement für die in Deutschland lebenden Juden sowie für den<br />
deutsch-israelischen Austausch sichtbar. Er ist einer von wenigen, die nicht in irgendeinem<br />
Verdacht stehen. Auch hier kommen freundschaftliche Beziehungen zu Tragen, die aus der<br />
Weimarer Zeit stammen. <strong>Heuss</strong> beschreibt dazu in seinen Erinnerungen eine Episode aus<br />
dem Jahr 1930: »In Schwenningen wurde ich von dem Naziblatt, das ein Trossinger In-<br />
dustrieller gegründet hatte, als 'der bekannte Jude und Freimaurer' begrüßt, und die<br />
dortigen Demokraten bedrängten mich, Anzeige wegen Beleidigung zu erstatten. Ich<br />
musste den Leuten klarmachen, dass das schlechterdings nicht gehe, da ich sehr nahe<br />
Freunde jüdischer Herkunft besitze oder solche, die Mitglieder einer Loge – nun müssten<br />
ja diese durch solchen Akt sich beleidigt fühlen.« 278 Immer wieder einmal wird <strong>Heuss</strong> in<br />
christlich-jüdische Angelegenheiten einbinden. Die Aussöhnung sowohl mit Israel als auch<br />
mit den in Deutschland befindlichen Juden gehört zu seinen Neigungsaufgaben. Ein Bei-<br />
spiel lässt sich in den Tagebuch-Briefen finden, in denen <strong>Heuss</strong> sich mokiert, dass man zu<br />
einer Gedenkrede auf Heinrich Heine extra Max Brod aus Tel Aviv einfliegen lassen will.<br />
»Nichts gegen M. Br., der ein zarter und gebildeter Mann ist – er hat mich (im letzten Jahr<br />
wohl) hier besucht. Aber welche instinktlose Simpelei, einen jüdischen Mann aus Tel Aviv<br />
kommen zu lassen! Das heißt, in Deutschland findet sich keiner, der das 'heiße Eisen' an-<br />
packen will. [...] Jetzt haben sie in Düsseldorf beschlossen, und der Herausgeber der<br />
Jüdischen Wochenschrift, Marx, ist beauftragt, [...] mich um die Bestimmung des Festred-<br />
ners zu ersuchen« 279 Unter anderem verband <strong>Heuss</strong> eine vertrauensvolle Beziehung mit<br />
dem Vorsitzenden des Jüdischen Weltkongresses Nahum Goldmann, eine von besonderer<br />
Wertschätzung getragene Beziehung hat er zu Leo Baeck.<br />
Wenn nicht in gleicher Intensität, so konnte er auch zu der Seite ein Verhältnis aufbau-<br />
en, mit der diejenigen nur unter Vorbehalt den freien Austausch pflegten. Hans Globke<br />
gegenüber pflegte er ein pragmatisch-vertrauensvolles Verhältnis einzunehmen, Ernst<br />
Jünger wollte er zum Beispiel den »dezidiert-romantisch abstrahierenden Konservatismus<br />
277 Pikart (1970); Brief an Toni Stolper vom 24.10.1958; S. 356<br />
278 Lamm (1964); S. 204<br />
279 ein Beispiel dafür findet sich bei Pikart (1970); <strong>Heuss</strong> an Toni Stolper vom 4.12.1955; S.108<br />
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