pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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ten: »plebiszitäres Element, stärkere Minderheitenrechte, das beständige Schleifen der<br />
Mauern der Institutionen.« 128<br />
Ausgerechnet ein Bericht der »Enquete-Kommission 'Zukunft des Bürgerschaftlichen<br />
Engagements« des Deutschen Bundestags ist an dieser Stelle geeignet, <strong>Heuss</strong>' Vorstel-<br />
lungen in den Zeitkontext einzuordnen. Dabei wird deutlich, dass <strong>Heuss</strong>' Vorstellung vom<br />
Ehrenamt durchaus einen fortschrittlichen Akzent besaß: »In den ersten Jahrzehnten der<br />
Bundesrepublik Deutschland herrschte weithin ein 'realistisches' Demokratieverständnis<br />
vor. Nach diesem Modell soll ein politisch nur begrenzt interessiertes und informiertes Pu-<br />
blikum in regelmäßigen Wahlen über konkurrierende Eliten, die das politische Geschäft<br />
professionell betreiben, entscheiden. Ein weiter reichendes politisches Engagement der<br />
Bürgerschaft ist nach diesem Modell verzichtbar, sieht man einmal von der Mitgliedschaft<br />
in politischen Parteien ab, in denen das professionelle Personal ausgebildet und ausge-<br />
wählt wird.« 129<br />
3.3 Autonomie und Verantwortung:<br />
Vorstellungen von Politischer Führung<br />
Mittelpunkt der Bürgergesinnung (und damit auch seines Politikerbildes) ist nach <strong>Heuss</strong><br />
das autonome Individuum, das dem notwendigen Übel der »Verwaltung« oder des »Appa-<br />
rats« gegenübersteht: »Was die Selbstverwaltung braucht, ist eine gesunde Mischung von<br />
Berufsbeamten und unabhängigen 'Laien'. Die Beamten haben für die technische Leis-<br />
tungsfähigkeit des Verwaltungsapparats zu sorgen, die 'Laien' neben der Kontrolle die<br />
Aufgabe zu verhüten, dass eine Verwaltung eine Maschine mit zwangsläufigem Formalis-<br />
mus werde.« 130 Was im Bereich der kommunalen Verwaltung die Formalisierung, ist auf<br />
der gesamtstaatlichen Ebene der »Parteienstaat.« Dieser Schreckensvision zufolge wird<br />
der Staat fortwährend bürokratisiert und von den Parteien monopolisiert. Dazu eine zeit-<br />
genössische Impression aus dem Jahr 1957: »Das von den Honoratiorenpolitikern zu Be-<br />
ginn des Jahrhunderts beschworene Schreckgespenst der entpersönlichten, technokratisch<br />
geleiteten Parteimaschine hat sich – zumindest im Ansatz – bereits deutlich<br />
ausgeformt.« 131 Zwar ist <strong>Heuss</strong> auf der einen Seite Realist genug, um die Notwendigkeit<br />
erhöhter Staatstätigkeit unter den Bedingungen der Moderne anzuerkennen, in seinem Ur-<br />
teil über diese Entwicklung überwiegt jedoch die Skepsis: Es würden gerade diejenigen<br />
128 Rudolph (2000); S. 22<br />
129 Enquete-Kommission Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements des Deutschen Bundestags<br />
(2002); S. 319<br />
130 <strong>Heuss</strong> (1921); S. 11<br />
131 Knoll (1957); S. 16<br />
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