pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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fassungsgebenden Landesversammlung«, dann ab November 1946 als Abgeordneter des<br />
Landtags, so wie auch seine Frau, Elly <strong>Heuss</strong>-Knapp. 157<br />
4.1 Elly <strong>Heuss</strong>-Knapp<br />
die dreissiger Jahre, waren für die Familie <strong>Heuss</strong> auch von problematischen Phasen ge-<br />
kennzeichnet. Die wichtige politische Rolle, die <strong>Heuss</strong> möglicherweise eingenommen hätte,<br />
wäre die parlamentarische Entwicklung in Deutschland nicht unterbrochen worden, sowie<br />
die publizistische und wissenschaftliche Tätigkeit blieben ihm weitestgehend verschlossen.<br />
Im Gegensatz dazu entwickelte sich Elly <strong>Heuss</strong>-Knapp zu einer profilierten, Werbeexpertin<br />
und zu einer Pionierin der Rundfunk-Werbung in Deutschland (»eigentlich ist mir gar nicht<br />
humoristisch zumut, außer, wenn ich gerade Schallplatten mache«). 158 Damit dürfte<br />
<strong>Heuss</strong> zu einer Minderheit gehört haben, die vom Erwerbseinkommen seiner Frau abhän-<br />
gig ist ohne dass dies ernsthafte Auswirkungen auf sein Selbstbewusstsein gehabt hätte.<br />
Angefangen mit Produkten der Firma Wybert arbeitet Elly <strong>Heuss</strong>-Knapp für viele der<br />
großen Marken in Rundfunk und Kino: »Ich habe nur noch Nivea im Kopf und Sonne-<br />
brickets und Knäckebrot. Ein schönes Gemisch, manchmal denke ich, es explodiert.« 159<br />
Auch im politischen und sozialpädagogischen Engagement entspricht Elly <strong>Heuss</strong>-Knapp<br />
nicht dem traditionellen Rollenbild: In jungen Jahren setzt sie sich für das Frauen-<br />
wahlrecht ein, kandidiert 1919 für die Weimarer Nationalversammlung, arbeitet sozialpäd-<br />
agogisch. Sie, die Tochter des Nationalökonomen Georg Knapp aus Straßburg, hat also<br />
nicht die Absicht, das Leben als Zierde ihres Gatten zu bestreiten.<br />
Im November 1946 wird sie in den Landtag Württembergs gewählt, nimmt zahlreiche<br />
Ehrenämter war (wie z.B. das der stv. Vorsitzenden der Europäischen Bewegung) und<br />
konzentriert sich auf ihr altes Spezialgebiet die Volksbildung. Der Höhepunkt ihrer poli-<br />
tischen Karriere fällt gleichzeitig mit einer starken Schwächung ihrer Konstitution zu-<br />
sammen, die sie immer wieder zu Krankenhaus- und Kuraufenthalten zwingt. Insofern<br />
sieht sie die Übernahme des Bundespräsidentenamtes auch eher skeptisch. 160 Die la-<br />
konische Anmerkung aus einem privaten Brief ist programmatisch: »Jetzt ist es bereits<br />
einige Wochen her, dass wir das neue Amt angetreten haben.« 161 Der sich selbst als Teil<br />
des Amtes betrachtende Plural gibt dem Rollenverständnis der First Lady einen modernen<br />
Akzent, wie man ihn weder bei Ebert, Hindenburg oder Hitler zu finden war. Modern und<br />
157 Henning (1984); S. 94<br />
158 <strong>Heuss</strong>-Knapp (1961); S. 230<br />
159 <strong>Heuss</strong>-Knapp (1961); S. 253<br />
160 <strong>Heuss</strong>-Knapp (1961); an Gertrud Stettiner-Fuhrmann vom 23.07.1949; S. 334<br />
161 Elly <strong>Heuss</strong> Knapp (1961); S. 334<br />
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