pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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plinäre Elemente ergänzt werden. Zum Zweiten muss das Erkenntnisinteresse auf grund-<br />
legendere Dinge gelegt werden. Aus dieser Perspektive werden Zeit und die Dynamik so-<br />
zialer Prozesse zentral. Die zum Zeitpunkt der Beobachtung aktuelle Konfiguration ist ein-<br />
gebettet in soziale Prozesse und geschichtliche Erfahrung. Pye formuliert dies bereits zu<br />
einem frühen Zeitpunkt: »In exploring the origins of a political culture it is necessary, for<br />
example, to treat both the historical development of the system as whole and the life ex-<br />
periences of the individuals who currently embody the culture.« 18 Dadurch bekommt Poli-<br />
tische Kultur eine grundlegende Dimension, die über das bloße politische System hinaus-<br />
greift. Danach ist Politische Kultur eine Art Orientierungsrahmen oder, wie andere Autoren<br />
es nannten, »innere Landkarte«, die vorpolitische Orientierungsmuster umfasst.<br />
Traditionen, der institutionelle Geist, die Leidenschaften und Rationalitäten der Bürger, die<br />
Elitenkonfiguration sind somit auch keine zufälligen Produkte historischer Prozesse, son-<br />
dern selbst Teil der politischen Kultur und damit ihrer Dynamik ausgesetzt. »[...]The tradi-<br />
tions of a society, the spirit of its public institutions, the passions and the collective rea-<br />
soning of its citizenry, and the style and operating codes of its leaders are not random<br />
products of historical experience but fit together as a part of a meaningful whole and con-<br />
stitute a intelligible web of relations.« 19<br />
Wenn in dieser Arbeit die Einflussnahme handelnder Politiker auf dieses »Netz der Be-<br />
ziehungen« untersucht werden soll, müssen diese Quellen auch am Beispiel der so Han-<br />
delnden identifiziert werden: Sowohl im normativen Rahmen eigener Anschauungen, als<br />
auch in der sozialen Wirklichkeit ihrer Handlungen.<br />
1.3 Subkulturen, Eliten, Deutungskulturen<br />
Dies leitet auf eine Grundannahme hin, ohne die Politische Kultur nur unzureichend er-<br />
klärt werden kann. Wenn Politik aus Steuerungsleistungen besteht, muss auch angenom-<br />
men werden, dass die Steuerungsmöglichkeiten in der Gesellschaft asymmetrisch verteilt<br />
sind. Wie <strong>Heuss</strong> 1928 schreibt, nehmen wir die Existenz einer politischen Elite an. »In fast<br />
allen Demokratien, die mit Mehrheiten rechnen, entscheidet letztlich eben doch auch eine<br />
Minderheit: die Minderheit der Handelnden. Sie bestimmen die Auswahl der Bewerber um<br />
eine Führung, sie geben dem politischen Machtkampf Tempo und Farbe, und darüber hin-<br />
aus: der Staat wird von denen bestimmt, die von dem Recht der Machtteilnahme Ge-<br />
brauch machen.« 20 In Unterscheidung zu <strong>Heuss</strong> ziehen wir den Kreis deutlich enger: die<br />
Minderheit ist weniger mit der Gruppe der Wähler deckungsgleich, die von ihrem Recht<br />
18 Pye (1972); S. 7<br />
19 Pye (1972); S. 7<br />
20 <strong>Heuss</strong> (1926); S. 84<br />
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