pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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▌ Mann des Übergangs<br />
Dass <strong>Heuss</strong> nicht einfach ein Politikmodell des 19. Jahrhunderts konserviert, sondern<br />
dass er Spuren eines solchen Modells mit explizit modernen, die Welt des Bildungsbürgers<br />
ins Wanken bringenden Vorstellungen vermischt, muss an dieser Stelle erwähnt werden.<br />
Innerhalb des bildungsbürgerlichen Milieus gehört er zu denjenigen, die ihren Anspruch<br />
auf eine tragende Rolle nicht aus ihrer ständischen Position herleiten. Statt Stand und Sta-<br />
tus werden die Kategorien Individualität und Konkurrenz zentral. Ebenso verzichtet er auf<br />
ein sich auf traditionale Quellen beziehendes Politikbild und vertritt einen sachlich-moder-<br />
nen Politikbegriff. Auch in seiner Tätigkeit als Journalist und Publizist stellt er traditionelle<br />
Deutungsmacht in Frage: »Als Journalist und politischer Publizist bewegte sich <strong>Heuss</strong> auf<br />
der Agora des publizistischen Massenmarktes, ohne eine privilegierte Deutungskompetenz<br />
qua akademischer Weihen zu beanspruchen.« 155 So verbindet sich mit seinem Lebensweg<br />
das Vordringen moderner Politik- und Gesellschaftsvorstellungen.<br />
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg passt auf <strong>Heuss</strong> die Metapher des Übergangs. Das<br />
von ihm vertretene Konzept des Honoratiorenpolitikers ist 1949 im Verschwinden begrif-<br />
fen. Der Einfluss der Parteien steigt und mit ihnen der Stellenwert von arbeitsteiliger<br />
Organisation im politischen Prozess: Die Parteiorganisationen werden gestärkt und im<br />
parlamentarischen Bereich, innerhalb der Fraktionen ändern sich die Aufstiegswege, Spe-<br />
zialisierung in komplexeren Politikfeldern nimmt zu, innerfraktionelle Hierarchien und Äm-<br />
ter stehen zwischen dem unabhängigen Abgeordneten und der Fraktionsmeinung. Zwar ist<br />
<strong>Heuss</strong> nicht er einzige Honoratiorentypus, der in den Bundestag einziehen wird, wohl aber<br />
wird dieses Politikermodell an ihm exemplarisch sichtbar.<br />
155 Hertfelder (2000); S. 109<br />
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