pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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zwei Dynamiken ab: Zum Einen eine Fusion innerhalb der Trizone und zum anderen die<br />
politische Zweispaltung der Partei. Der um die Fraktion im Frankfurter Wirtschaftsrat<br />
gruppierte rechte Flügel bekam mehr Gewicht, drängte auf einen schnellen Zu-<br />
sammenschluss und setzte damit die südwestdeutschen Liberalen unter Zugzwang, woll-<br />
ten sie einen Zusammenschluss der Parteien, zu dem es nun keine Alternativen mehr gab,<br />
unter ihren Bedingungen forcieren. <strong>Heuss</strong> gehört hier nicht zu den Protagonisten sondern<br />
nimmt eine zögerliche Haltung ein. »Erst mit dem Zusammentreten des Parlamen-<br />
tarischen Rats 1948 änderte sich das Bild: Dass eine liberale Partei in Verfassungsbera-<br />
tungen zu besonderer Verantwortung aufgerufen sei und ihr die entscheidende Vermitt-<br />
lungsaufgabe zwischen den beiden großen Flügeln zufalle, war nicht nur die Leitlinie, die<br />
die Bonner FDP-Fraktion ihrem Wirken zugrunde legte; es umriss auch weitgehend die<br />
Zielsetzung, die die gemäßigten Kräfte der Partei überhaupt zugedacht hatten.« 323 Dem-<br />
zufolge ist es das Verdienst von <strong>Theodor</strong> <strong>Heuss</strong> und Ernst Mayer, wieder an die liberale<br />
Tradition anzuknüpfen, die Aufgabe einer Verfassungspartei wahrzunehmen. Wenn dies<br />
auch innerparteilich äußerst umstritten ist, so bietet diese Ausrichtung in späteren Zeiten<br />
Anknüpfungspunkte für eine sozialliberale Ausrichtung der FDP. Gleichwohl gelingt es dem<br />
linken Flügel nicht, diese Ausrichtung durchzusetzen. Bis in die sechziger Jahre bleibt die<br />
FDP eine heterogene Partei, die von den Flügelkämpfen, die in den vierziger Jahren be-<br />
ginnen, weiter gezeichnet ist. Insofern wirkt diese Traditionsbildung nicht unmittelbar in<br />
das entstehende Parteiensystem. Generell scheint <strong>Heuss</strong> die Rolle eines Parteivorsitzenden<br />
eher fremd zu sein. Dies resultiert aus seinem Politikerverständnis, das auch unter den<br />
veränderten Bedingungen der Nachkriegszeit noch dem Typus des Honoratiorenpolitikers<br />
gleicht. Wenn er stilbildend wirken kann, dann in Sonderbereichen des politischen Sys-<br />
tems: Im Parlamentarischen Rat oder im repräsentativ definierten Amt des Bundesprä-<br />
sidenten.<br />
Wenn es nicht gelingt, die FDP zur Verfassungspartei umzuformen, so steht außer<br />
Frage, dass <strong>Heuss</strong> ein Verfassungspolitiker war. Im Parlamentarischen Rat brachte er sich<br />
unter anderem in den Bereichen ein, die das Selbstverständnis des Staats betreffen, zum<br />
Beispiel bei der Diskussion der Präambel, des Namens des zukünftigen Staats, bei der<br />
Frage der Grundrechte. Bei den institutionellen Grundentscheidungen findet sich <strong>Heuss</strong><br />
mit der Mehrheit des Gremiums als ein Gegner direkter Demokratie wieder, als Befür-<br />
worter eines gemäßigten Föderalismus und einer Entmachtung des Bundespräsidenten zu-<br />
gunsten eines an das Parlament gebundenen Kanzlers. Wenn <strong>Heuss</strong> auch zu den »Vielred-<br />
nern« gehörte und dank seines Amts als Fraktionsvorsitzender auch zu denen, die in den<br />
wichtigen Ausschüssen saßen, so kann mit Sicherheit gesagt werden, dass er großen<br />
Einfluss auf die Arbeit des Parlamentarischen Rats ausgeübt hat. Aber angesichts der<br />
Arbeitsweise des Gremiums und der Komplexität von Materie und Entscheidungspro-<br />
323 Hein (1985); S.352<br />
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