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pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg

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von einer der Demokratie entsprechenden Armee rekurriert werden. Es wurde bereits an<br />

anderer Stelle erwähnt, dass Jaures und Delbrück diese Vorstellungen inspiriert haben.<br />

<strong>Heuss</strong> zieht hierzu die Veränderung der Kriegsführung hinzu: In der Technisierung und<br />

professionellen Spezialisierung sieht er die Gefahr einer Verselbständigung der Armee, der<br />

Krieg sei »von den Übungsfeldern in die Laboratorien, in die Berechnungswerkstätten ge-<br />

wandert.« 315 Zudem könne die unhinterfragte Übernahme von Traditionsbeständen nicht<br />

den Anforderungen an eine Bürgerarmee genügen: »Vom Technischen wie vom Poli-<br />

tischen her sind wir in eine n e u e geistige Situation gezwungen!« 316 Sichtbarer Aus-<br />

druck dieser überkommenen Militärkultur sei der Umgang mit den militärischen Symbolen,<br />

mit Fahnen, Märschen, Uniformen, Abzeichen. Sowohl in der Veräußerlichung einer neuen<br />

Armee als auch im Selbstverständnis gelte es, das Soldat-Sein neu zu definieren. Mit der<br />

vollständigen Einbindung der Bundeswehr in die NATO sei eine Militärtradition an ein Ende<br />

gelangt, weil sich ihr Auftrag geändert hat. An die Adresse von Offizieren der Bundeswehr<br />

richtet <strong>Heuss</strong> diesen Auftrag: »Sie werden ausgebildet und bilden aus für die unberechen-<br />

baren Aufgaben eines modernen Kriegs. Und der tiefe paradoxe Sinn dieser mühseligen<br />

Arbeit ist doch dies, nicht nur durch die wagende oder ausweichende Aktion, sondern<br />

einfach durch Da-Sein und So-Sein die Verwirklichung jener schlimmen Gegebenheiten<br />

einer militärischen Konfliktlage zu verhindern.« 317 Aus diese Beschränkung der Aufgabe<br />

einer Armee wächst eine andere Vorstellung vom Soldat-Sein. Auf die traditionellen Wert-<br />

kategorien wie zum Beispiel Ruhm und Sieg sollten staatsbürgerliche Werte folgen, die<br />

Politische Kultur in die Militärkultur getragen werden. <strong>Heuss</strong> empfiehlt eine staatsbürgerli-<br />

che Bildung als Ergänzung zur militärischen Ausbildung, die Verantwortung der Soldaten<br />

zu stärken und lieber neue Traditionen zu schaffen als alte ungefragt zu übernehmen. Im<br />

Grunde nimmt er damit das Konzept der »Inneren Führung« vorweg. Den Text der Rede<br />

spricht er denn auch mit Graf Baudissin, dem spiritus rector des Konzepts ab. 318<br />

<strong>Heuss</strong> bewegt sich in der Armeefrage zwischen den Stühlen der öffentlichen Meinung.<br />

Auf der einen Seite gehört er zu denjenigen, die die Bildung der Bundeswehr immer un-<br />

terstützt haben. <strong>Heuss</strong> zieht eine scharfe Grenze zwischen Armeegegnern und Armeebe-<br />

fürwortern: »Bundespräsident unterrichtet den Bundeskanzler [...], dass er eine Einladung<br />

der Roten Falken (sozialistische Jugend) zu einer Tagung Ende Juli abgesagt habe – ob-<br />

wohl er auch bei einer Tagung z.B. der katholischen Jugendverbände gesprochen habe -,<br />

da die Falken verschiedentlich Resolutionen gegen die Wiederaufrüstung gefasst<br />

hätten.« 319 Persönlich ist deshalb auch sein Verhältnis zu Martin Niemöller zerrüttet, der<br />

315 Dahrendorf/Vogt (1984); Stilfragen der Demokratie; S. 463<br />

316 Dahrendorf/Vogt (1984); Stilfragen der Demokratie; S. 463<br />

317 Dahrendorf/Vogt (1984); Soldatentum in unserer Zeit; S. 490<br />

318 Pikart (1970); <strong>Heuss</strong> an Toni Stolper am 8.3.1959; S.405<br />

319 Morsey/Schwarz/Mensing (1997); Gespräch vom 27.07.1955 ; S. 170<br />

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