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pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg

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schweigens' – wie die fünfziger Jahre heute von namhaften Historikern genannt werden –<br />

wirklich Zivilcourage.« 326 Die Einschränkung gilt deshalb, weil bezweifelt werden kann,<br />

dass dies über das symbolische Wirken hinaus das Handeln von <strong>Heuss</strong> motivierte. Das<br />

Bundespräsidialamt wird zu jener Zeit eben nicht das Zentrum der Bekämpfung alter Na-<br />

tionalsozialisten in Führungspositionen. Auch dem Mitläufertum bringt <strong>Heuss</strong> viel Ver-<br />

ständnis entgegen und er gehört nicht zu denen, die »aufstehen«, um eine beliebte Me-<br />

tapher der Zivilcourage-Sprache zu verwenden. Insbesondere missbilligt er gerade die<br />

unbotmäßige Einmischung aus Medien und Bevölkerung als »Demagogie«. Dies entsprach<br />

seinem wenig konfliktären Wesen und statt der »Bewältigung« der Vergangenheit steht<br />

bei ihm die »Aussöhnung« oben auf der Agenda. In späteren Jahren ist die Einsicht er-<br />

folgt, dass das eine wechselseitig das andere bedingt. Gerade vor dem Hintergrund der<br />

Auschwitz-, Majdanek- und Eichmann-Prozesse, muss die Schuldfrage nun in einer<br />

anderen Weise thematisiert werden. Wenn <strong>Heuss</strong> dies nicht leistete, so baute er doch mit<br />

seiner Haltung eine Brücke zu jenen späteren Debatten, die die Politische Kultur prägen<br />

werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Recht auf Widerstand. Ohne die Bemühungen des<br />

Bundespräsidenten, die offizielle Rehabilitierung des 20. Juli durch Würdigung einzuleiten,<br />

wäre das »integrale Verständnis des Widerstands« 327 , das auch in andere Traditionen ein-<br />

gebettete Widerstände einbezieht und beispielsweise in der Neukonzeption der »Gedenk-<br />

stätte Deutscher Widerstand« zum Ausdruck kommt, nicht vorstellbar. Auch mit seinen<br />

Äußerungen zum Bürgerheer gibt <strong>Heuss</strong> entscheidende Stichpunkte. Zwar ist es nicht so,<br />

dass Graf Baudissin wegen <strong>Heuss</strong> ein Konzept des Staatsbürgers in Uniform entwickelte,<br />

gleichwohl sorgt <strong>Heuss</strong> durch regelmäßige Thematisierung in Gesprächen dafür, dass der<br />

Gedanke der Bürgerarmee präsent bleibt. Bis zum Ende der alten Bundesrepublik wird<br />

sich das Prinzip der »Inneren Führung« langsam in der Bundeswehr durchsetzen. Wenn<br />

man von der demokratischen Ausgestaltung der Armee redet, muss freilich auch die ge-<br />

rade durch <strong>Heuss</strong> mit eingeleitete Tradition der Diskreditierung von Ersatzdienstleistenden<br />

zur Sprache kommen. Der »Massenverschleiß« des Gewissens wird zum Vorwurf der<br />

Drückebergerei und erst in den achtziger Jahren durch eine gesellschaftliche Anerkennung<br />

der damals noch wesentlich schwereren Arbeit von Zivildienstleistenden abgelöst werden.<br />

»Zivilcourage« besteht vor diesem Hintergrund darin, sich dieser ungeheuerlichen Unter-<br />

stellung durch den Staat, die ja breite Auswirkung auf die zukünftige Lebensplanung der<br />

Betroffenen hat, zu widersetzen.<br />

Wenn heute verstärkt über »aktive Bürgergesellschaft« geredet wird, dann kann man<br />

dies in Beziehung zu dem von <strong>Heuss</strong> propaqierten »Ehrenamt« sehen. Zwar wurde be-<br />

reits darauf hingewiesen, dass die beiden Konstruktionen in einem Spannungsverhältnis<br />

zueinander stehen, weil das Eine auch den Anspruch auf Einmischung in die Sphäre des<br />

326 Hamm-Brücher (2002); S.23<br />

327 Steinbach (2004); S.10<br />

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