pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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3.Politische Normen bei <strong>Heuss</strong><br />
<strong>Theodor</strong> <strong>Heuss</strong> ist 1914, zu Beginn des Ersten Weltkriegs, bereits 30 Jahre alt,<br />
verheiratet, Vater und ein erfolgreicher Publizist. Ab 1918 tritt er in die Geschäfts-<br />
führung des Deutschen Werkbunds ein, schreibt und gibt politische Zeitschriften heraus,<br />
wird im Nachfolgenden Kommunalpolitiker und Dozent an der neugegründeten »Hoch-<br />
schule für Politik.« Mit 40 Jahren zieht er in den Reichstag ein, wird 1928 nicht wiederge-<br />
wählt, schafft aber 1930, mit 46 Jahren, erneut den Sprung ins Parlament. Zu dem Zeit-<br />
punkt, an dem die Nationalsozialisten das Ermächtigungsgesetz zur Abstimmung stellen<br />
und <strong>Heuss</strong>' politische Karriere vorerst beendet wird, ist er bereits 49 Jahre alt. 1945, in<br />
dem Jahr, in dem er sie wieder aufnimmt, hat er bereits das sechzigste Lebensjahr über-<br />
schritten.<br />
Dies soll deutlich machen, dass <strong>Heuss</strong>' Vorstellungen vom Politischen auf Tradi-<br />
tionslinien zurückgehen, die weit früher zu verorten sind als in der Nachkriegszeit. <strong>Heuss</strong><br />
ist zehn Jahre älter als der Durchschnitt der politischen Elite nach 1945. Er gehört nicht<br />
der 1890er oder 1900er Generation an. Auch verfügt er bereits über Parlamentserfah-<br />
rung: Damit gehört er zu einer Minderheit von ca 6% der Mitglieder der politischen Elite.<br />
3.1 Politische und soziale Einbettung<br />
Neben seinem Alter ist es gerade sein Habitus, mit dem er ein Modell des Bürgers verkör-<br />
pert, das in dieser Form bereits damals ungewöhnlich war. »Dass <strong>Heuss</strong> ein Bildungs-<br />
bürger war, steht außer Frage: Seine soziale Herkunft, der väterliche Bücherschrank, die<br />
schulische Laufbahn, Studium und Promotion eröffneten in geradezu prototypischer Weise<br />
eine bildungsbürgerliche Karriere.« 82<br />
Das daraus resultierende Politikermodell ist das des Honoratiorenpolitikers: »Er ver-<br />
körperte in vielem den Typus eines liberalen gebildeten Bürgers, der sich als Honoratio-<br />
renpolitiker betätigte, weil ihn sein Verantwortungsgefühl ebenso umtrieb wie das<br />
gesunde Selbstbewusstsein, dass es ohne ihn um Gemeinwesen und Staat schlechter be-<br />
82 Hertfelder (2000); S. 94<br />
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