pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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einigen Fleiß und einige gute Reden und durch loyales Verhalten für die Menschen Figur<br />
geworden bin.« 231 Wie dem auch sei, so kann man Pikart folgen, wenn er das Amt des<br />
Bundespräsidenten als einen untergeordneten Teil der Koalitionsfrage sieht. »Die Prä-<br />
sidentschaftsfrage wurde einbezogen in die Koalitionsfrage, das geringe politische Gewicht<br />
des Bundespräsidentenamts konnte den Ehrgeiz von Politikern wie Schuhmacher und Ade-<br />
nauer nicht auf sich lenken.« 232<br />
Nach der Wahl zum Bundespräsidenten legte <strong>Heuss</strong> Partei- und Ehrenämter nieder, bis<br />
auf die Mitgliedschaft im Verwaltungsrat des Germanischen Nationalmuseums in Nürn-<br />
berg. Die Mitgliedschaft in der FDP ruhte und auch seine Beteiligung an der Rhein-Neckar-<br />
Zeitung veräußerte er.<br />
▌ VerfassungsRahmen und persönliche Ausweitung<br />
Verfassungsmäßig wurde das Amt vor allem durch repräsentative Aufgaben be-<br />
schrieben. Zunächst ist die Ausübung des Amts an erhöhte Anforderungen geknüpft: Der<br />
Bundespräsident darf weder ein parlamentarisches noch ein Regierungsamt innehaben<br />
und muss das vierzigste Lebensjahr überschritten haben. Er kann nur einmal wiederge-<br />
wählt werden. Auch die Legitimation des Präsidentenamts wurde durch die Konstruktion<br />
der Bundesversammlung (wie bereits dargestellt eine <strong>Heuss</strong>-Erfindung) auf eine andere<br />
Basis gestellt als zu Weimarer Zeiten: Um zu verhindern, dass der Präsident unmittelbarer<br />
legitimiert wird als der Bundeskanzler, wurde diese besondere nur alle fünf Jahre zur Wahl<br />
zusammenkommende Versammlung gebildet. Sie setzt sich zur Hälfte aus den Abgeordne-<br />
ten des Bundestags und zur anderen Hälfte aus Vertretern der Länder zusammen. Der<br />
Stellvertreter des Präsidenten ist der aktuelle Bundesratspräsident, also einer der Minis-<br />
terpräsidenten.<br />
Vor allem wurde der Einfluss des Präsidentenamts auf die Tagespolitik beschränkt: An-<br />
ordnungen und Verfügungen des Präsidenten bedürfen der Gegenzeichnung durch den zu-<br />
ständigen Minister oder den Bundeskanzler. Bundesgesetze werden vom Bundes-<br />
präsidenten unterzeichnet, müssen jedoch vorher vom Bundestag beschlossen sein. Dies<br />
ist der wesentliche Punkt, bei dem der Bundespräsident mit Tagespolitik verfassungsmä-<br />
ßig in Kontakt kommt. Auch bei der Ernennung von Kanzler und Ministern spielt er eine le-<br />
diglich formale Rolle. Das Recht, regulär an Bundestagssitzungen teilzunehmen, wurde<br />
ihm von Anfang an verwehrt.<br />
Vor allem in Ausnahmesituationen agiert der Präsident im Zentrum der politischen Auf-<br />
merksamkeit: Sei es, dass er den Bundestag nach einer gescheiterten Vertrauensfrage<br />
auflösen darf (Ermessensentscheidung) oder dass er an der Feststellung des Verteidi-<br />
gungsfalls beteiligt ist (wenn der Bundestag nicht zusammentreffen kann, können<br />
231 Pikart (1976) ; S. 163<br />
232 Pikart (1976); S. 28<br />
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