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pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg

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<strong>Heuss</strong> wollte demnach ein Gutachten nicht einfach zur Klarstellung nutzen, sondern auch<br />

einen politischen Effekt erzielen. Ihm ging es darum, die Aufstellung einer Armee nicht zu<br />

gefährden, da er eine solche »mit der Staatlichkeit essenziell« gleichsetzte. Staat, Wehr-<br />

pflicht und Armee sind für <strong>Heuss</strong> ein zentrales Politikfeld, wie wir spätestens seit seiner<br />

engagierten Rede gegen die Kriegsdienstverweigerung im Parlamentarischen Rat wissen.<br />

Nach <strong>Heuss</strong> Meinung wäre eine politische Entscheidung übrigens »innerhalb der normalen<br />

Arbeitsleistung« des Parlaments beschließbar gewesen. Ergänzend stellte er Überlegungen<br />

an, wie man die die Wehrpflicht quasi über die Hintertür zu einem selbstverständlichen<br />

Bestandteil von Staatlichkeit machen könnte: »Dass die Frage des Wehrgesetzes eine<br />

Vorklärung einfach dadurch erhalte, dass in dem Kompetenzkatalog die Wehrzuständigkeit<br />

des Bundes ausgesprochen werde.« 249<br />

Am 30.Juli 1952 entschied der erste Senat des Verfassungsgerichts, dass die Klage der<br />

SPD vor der Abstimmung im Bundestag unzulässig ist. Deshalb kündigte die Oppositions-<br />

partei an, im Nachhinein noch einmal zu klagen. Gleichzeitig kamen erste Signale aus<br />

Karlsruhe, dass das Gericht sich nicht der Auffassung der Regierung anschließen könnte<br />

und eher zur Auffassung der SPD tendieren könnte. Daraufhin entschlossen sich nun die<br />

Parteien der Regierungskoalition zu einer eigenen Klage vor dem Gericht.<br />

Begründet wurde diese Klage damit, dass die Oppositionsrolle durch deren Klagedro-<br />

hung unverhälnismäßig gestärkt werde. Die Hoffnung, die sich an dieses Argument knüpf-<br />

te war, dass sich das Gericht deshalb vor dem <strong>Heuss</strong>-Gutachten mit der Regierungsklage<br />

beschäftigen werde. Zudem nun gemäß der Geschäftsordnung des Gerichts dies vor dem<br />

»schwarzen« Senat verhandelt werden müsste, von dem man eine wohlgesonnene Ent-<br />

scheidung erwartete. 250 Dies ist zweifellos der Höhepunkt der Instrumentalisierungen des<br />

Gerichts, die auch in der Öffentlichkeit auf starke Kritik stießen.<br />

Das Verfassungsgericht wehrte sich dagegen, indem es am 08.12. zweierlei entschied:<br />

Erstens, dass das Gutachten des Präsidenten vor der Klage der Regierungsparteien be-<br />

handelt werden sollte. Zweitens, dass ein solches im Plenum des Gerichts erarbeitetes<br />

Gutachten bindend ist für beide Senate.<br />

Dies führte die Bundesregierung in eine schwierige politische Situation: Die Chancen<br />

zu einer Klärung der verfassungsrechtlichen Situation in ihrem Sinne sanken, die Chancen,<br />

dass sich die Rechtsauffassung der SPD durchsetzen würde, stiegen. Gleichzeitig er-<br />

wuchsen aus der Entscheidung Konsequenzen für den Bundespräsidenten. Denn entgegen<br />

seiner Absicht, sich lediglich beraten zu lassen, entschied das Gericht, dass ein Gutachten<br />

eine Vorfestlegung ist, die in der Konsequenz den Präsidenten in seiner Entscheidung<br />

bindet. Daraufhin und auf Anraten der Bundesregierung zog <strong>Heuss</strong> das Gutachtenersuchen<br />

zurück.<br />

249Pikart (76); S.104<br />

250 Am 07.03.1953 als unzulässig abgelehnt, weil die Bundestagsmehrheit kein Organ ist.<br />

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