pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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zusammen mit Gustav Heinemann zu den Initiatoren der öffentlichen Mobilisierung gegen<br />
die Aufrüstung gehörte: »Die Soldatenrede, wie Du vielleicht sahst, von der FAZ in exten-<br />
so abgedruckt, animiert zu Briefen, zumal die 'christlich eingekleidete Demagogie'.« 320<br />
Andererseits ist das Zustandekommen der beiden programmatischen Reden zum The-<br />
ma (»Stilfragen der Demokratie« und »Soldatentum in unserer Zeit«) gerade dadurch er-<br />
klärbar, dass die Bundeswehr nur zögerlich auf seine Anregungen reagiert und im<br />
Zweifelsfall den Traditionsbezug wählt als die Erfindung von Tradition. Diese kritische<br />
Distanz wird in einer Äußerung deutlich, die er 1956 tätigt und in der er über sein Verhält-<br />
nis zu Adenauer in Militärfragen spricht: »Wir liegen im Moment nicht gleich. Er will der<br />
werdenden Armee alle Chancen geben, sichtbar zu werden, nachdem er sich in der Zeit<br />
des Parlamentarischen Rates gar nicht darum kümmerte und mich im Stich ließ, er nimmt<br />
jetzt 'Paraden' ab, während ich, der ich 1948/49 der einzige 'Militarist' war, d.h. die<br />
Verteidigungspflicht der Demokratie aussprach, jetzt retardierend wirke, da ich glaube,<br />
ein stärkeres Gefühl für die innerdeutsche Normalstimmung zu haben.« 321 Zu dieser<br />
Distanz dürfte auch beigetragen haben, dass seine Anregungen zur Einbindung des<br />
Bundespräsidenten in die Befehlsstrukturen nicht aufgegriffen wurden. <strong>Heuss</strong> plante, so-<br />
wohl den Oberbefehl als auch einen »Verteidigungsrat (wie in Frankreich) an das Amt des<br />
Präsidenten zu binden, um die Autorität des Bundespräsidenten, wenn im allgemeinen In-<br />
teresse nötig, in die Waagschale werfen zu können.« 322<br />
▌ Zusammenfassung: Bundespräsident<br />
Das Charakteristikum des Bundespräsidenten-Amtes ist es, sowohl im Zentrum des<br />
politischen Systems zu stehen, als auch in Bezug auf die tagespolitischen Einflussmöglich-<br />
keiten, eher peripher angesiedelt zu sein. Wichtigste Aufgabe ist die Repräsentation des<br />
Staats. Dessen ungeachtet hat <strong>Heuss</strong> versucht, die Funktionen des Amts über diesen Be-<br />
reich hinaus auszudehnen. Zum größten Teil wurde ihm dies verwehrt: Beispiele von<br />
besonderer Bedeutung sind Fragen der Teilnahme an Kabinettssitzungen und Bundestags-<br />
Debatten oder der Versuch, den Oberbefehl über die Bundeswehr zu bekommen. Auch<br />
seine Versuche, eine Hymne zu implementieren und in die Frage der Europäischen<br />
Verteidigungsgemeinschaft einzugreifen, waren nicht von Erfolg gekrönt und von hand-<br />
werklichen Fehlern im prozessualen Bereich des Politischen begleitet. Man kann vermuten,<br />
dass <strong>Heuss</strong> dennoch regelmäßig über die drängenden aktuellen politischen Fragen unter-<br />
richtet wurde, weil Adenauer ihn persönlich wertschätzte und auch Interesse an seinem<br />
Urteil hatte. Daraus zu schließen, dass der Bundeskanzler der Meinung war, dass dies dem<br />
320 Pikart (1970); <strong>Heuss</strong> an Toni Stolper am 21.03.1959; S. 409<br />
321 Pikart (1970); <strong>Heuss</strong> an Toni Stolper vom 18.01.1956; S. 134<br />
322 Morsey/Schwarz/Mensing (1997); Gespräch vom 06.06.1955; S. 164<br />
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