pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Prononciert lehnt <strong>Heuss</strong> das über eine Bevölkerungseingabe in die Verhandlungen ge-<br />
kommene Recht auf Kriegsdienstverweigerung ab, kann sich aber nicht durchsetzen.<br />
»Nach meiner geschichtlichen Kenntnis ist der Kriegsdienst auch eine Pflicht der Demokra-<br />
tie. Es ist also unglücklich, in eine demokratische Verfassung grundsätzlich hineinzu-<br />
schreiben, dass jeder sich drücken darf, auch wenn es sich um einen Verteidigungskrieg<br />
handelt.« 223<br />
Eine intensive Diskussion entspinnt sich vor allem im Grundsatzfragen-Ausschuss über<br />
die Präambel. Diese gehört mit Sicherheit zu den am sorgfältigsten erörterten Teilen der<br />
Verfassung und wird die Arbeit des Parlamentarischen Rats durch verschiedene Aus-<br />
schüsse bis zum Ende begleiten. Kennzeichnend für die Arbeit des Grundsatzfragen-Aus-<br />
schusses ist überhaupt die untypische bisweilen weit ins Grundsätzliche ausgreifende Art<br />
der Diskussion.<br />
Ähnliche Debatten finden um die Überschrift der Verfassung und des von ihr konstitu-<br />
ierten Gebildes statt. Wenn auch das »Grundgesetz« sich schon in den Verhandlungen der<br />
Ministerpräsidenten abzeichnete, so rang man um den richtigen Namen für den Staat.<br />
»Bund Deutscher Länder« war zu föderal, »Reich« zu vielschichtig besetzt, eine Alterna-<br />
tive die »Republik Deutschland«, <strong>Heuss</strong> propagiert die »Bundesrepublik Deutschland.« 224<br />
Weniger diskutiert hingegen die Frage der Flagge. Wenn dies auch eine Angelegenheit ist,<br />
die innerhalb der Bundes-FDP umstritten war, so ist bereits in Herrenchiemsee eine<br />
Prädisposition für schwarz-rot-gold erzielt worden, was auch <strong>Heuss</strong>' Vorstellungen ent-<br />
sprach. Die von der CDU eingebrachte Erweiterung um ein Kreuz wurde, nachdem die<br />
Angelegenheit noch durch einen Flaggenausschuss gegangen ist, ziemlich eindeutig<br />
verworfen. 225<br />
Eine umstrittene von den Kirchen mit heftigen Lobbyismus begleiteter Komplex war<br />
derjenige des Elternrechts auf religiöse Bildung, der religiösen Schulen und der Geltung<br />
des Konkordats aus den dreißiger Jahren. Auf <strong>Heuss</strong> geht die Lösung zurück, die Weima-<br />
rer Verfassungsartikel in das Grundgesetzes zu integrieren und somit die Freiheit der reli-<br />
gionsgemeinschaften zu gewährleisten ohne eine Staatskirche ins Leben zu rufen. Eng da-<br />
mit verbunden die Frage der Konfessionsschule und dem Elternrecht auf konfessionelle<br />
Bildung, die aus heutiger Perspektive bereits vergessen ist. <strong>Heuss</strong> ist dabei der Verteidiger<br />
der staatlichen Bindung des Bildungswesens. Welchert bilanziert: »Zu keinem Problem<br />
sprach <strong>Theodor</strong> <strong>Heuss</strong> im Parlamentarischen Rat so häufig und so eingehend wie zu<br />
diesem.« 226 Am Ende entstand mit Artikel 7 zwar die Implementierung des Religionsunter-<br />
richts als ordentliches Schulfach, die Aufsicht über das Schulwesen war jedoch beim Staat<br />
223 Bundestag/Bundesarchiv/Pikart/Werner (1993); S.419<br />
224 Bundestag/Bundesarchiv/Pikart/Werner (1993); S. 169 ff.<br />
225 Bundestag/Bundesarchiv/Pikart/Werner (1993); S. XLVIII f.<br />
226 Welchert (1968); S.108<br />
81