pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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wein zugetanen einfachen Bürger präsentierte, und dem Duktus des gelehrten Bildungs-<br />
bürgers. Wenn auch das Bild von »Papa <strong>Heuss</strong>« mit der Zigarre in die Ikonographie der<br />
Bundesrepublik eingegangen ist, so ist er doch politisch wesentlich präsenter in den<br />
Kreisen der deutschen Elite. Er bemüht sich geradezu um die Einwirkung in die Sphären<br />
der Kultur, der Ökonomie und der Wissenschaft, hält sorgfältig vorbereitete Reden, knüpft<br />
Kontakte und unterstützt Initiativen. »Gerade mit diesem für die deutsche Geschichte<br />
eher unüblichen Zusammenspiel von Geist und Politik setzt er als Bundespräsident seine<br />
eigenen Akzente. Obwohl die Kulturpolitik des Bundes offiziell zu den Aufgaben des Innen-<br />
ministeriums gehört, ist es vor allem <strong>Heuss</strong>, der sich um die Beziehung zwischen Staat<br />
und Künstlern sowie um die ästhetische Selbstdarstellung der jungen Republik<br />
kümmert.« 274<br />
Einmalig dürfte <strong>Heuss</strong>' Anspruch sein, Reden zu verschiedenen Anlässen selbst vorzu-<br />
bereiten und auf einen Rede-Schreiber zu verzichten. Pikart berichtet auch, dass er ge-<br />
legentlich Antworten auf Schreiben im Namen seines persönlichen Referenten verfasste<br />
und diesen unterschreiben ließ. Insofern stellen die öffentlichen Reden von <strong>Heuss</strong> wegen<br />
ihrer Authentizität einen besonderen Wert für die Forschung da und die Mühe des Autors<br />
belegt, dass sie auch nicht als einfache Politikerreden erscheinen sollten. Vielmehr besteht<br />
der Ehrgeiz von <strong>Heuss</strong> darin, über seine Person eine Verbindung von Eliten und Staat zu<br />
konstituieren. Die so demonstrierte geistige Ebenbürtigkeit zieht den Effekt nach sich, den<br />
Bundespräsidenten nicht nur als Teil des politischen Systems wahrzunehmen, der auf die<br />
»Masse« gerichtet ist, sondern der ein integraler Bestandteil des eigenen Selbst ist: In<br />
dieser Perspektive erscheint <strong>Heuss</strong> wieder als der Intellektuelle, der in die Politik ge-<br />
gangen ist, nicht das »political animal.« Die Wertschätzung von Kultur und Wissenschaft<br />
macht sich neben den informellen Kontakten auch institutionell fest. So beteiligt sich<br />
<strong>Heuss</strong> zum Beispiel an der Gründung des Wissenschaftsrats: »Die Geschäftsstelle wird<br />
beim BuPrä etabliert, weil der so nett und dabei so neutral ist.« 275 Das einzige Ehrenamt,<br />
das er während seiner Präsidentschaft behält ist zudem die Mitgliedschaft im Beirat des<br />
»Germanischen Nationalmuseums« in Nürnberg.<br />
Eine wichtige Rolle in dieser Politik nimmt auch der Kontakt mit dem Exil ein. Am Bei-<br />
spiel der amerikanischen Emigration lässt sich exemplarisch studieren, wie dies aus <strong>Heuss</strong>'<br />
alten Verbindungen heraus ermöglicht wird. Gerade in Amerika leben einige der wichtigen<br />
Personen aus <strong>Heuss</strong>' alten Weimarer Netzwerk. So sammeln sich an der »New School« in<br />
New York einige Wissenschaftler aus dem Umfeld der »Hochschule für Politik«, Hans Si-<br />
mons wird zeitweise ihr Präsident. Ernst Jäckh, Else und Hans Staudinger, Ernst Jäckh<br />
Albert Salomon befinden sich ebenfalls in New York. 276 <strong>Heuss</strong>' Staatsbesuch in den USA<br />
274 Gudrun Kruip (2003); S. 162<br />
275 Pikart (1970); S.311, S. 584<br />
276 siehe auch Pikart (1970); Brief an Toni Stolper vom 11.03.1958<br />
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