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pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg

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Wahlkampfeinsätzen »als kämpferische Lockung.« 140 Auf der sozialpolitischen Ebene muss<br />

Politik deshalb die Bildung von Eigentum ermöglichen, da dadurch ja Traditionsbildung<br />

ermöglicht wird. Auf der bildungspolitischen Ebene ergeht der Auftrag der Individuumsbil-<br />

dung.<br />

Wenn <strong>Heuss</strong> gerade nach 1945 auf die Massentheorien Bezug nimmt und seine<br />

zentrale politisch-kulturelle Botschaft in Bezug zu dieser Theorie stellt, dann tut er dies<br />

aus einer Position der Nüchternheit. Nicht weil er befürchtet, dass der Trieb per se stärker<br />

ist als die Vernunft. Vielmehr betrachtet er »Masse« als Resultat einer manipulativen auf<br />

»Romantik«, Demagogie und Maßlosigkeit basierenden politischen Herrschaftsstrategie.<br />

»Die Vermassung [...] wird ein bewusstes Ziel, um politische Herrschaft zu gestalten und<br />

zu sichern mit einer sehr merkwürdigen, aus fremden Welten, auch quasi-religiösen, kom-<br />

menden Kraft.« 141<br />

Die zentrale Handlungsnorm für Politiker, die es verdienen, das Etikett demokratisch<br />

zu tragen wird deshalb die »Mäßigung«, auf die <strong>Heuss</strong> immer wieder zu sprechen kommt.<br />

»Dann gibt es Situationen, in denen ich versuche, in einer ruhigen Argumentation den<br />

Leuten, ob es Deutsche oder Ausländer sind, das Gesetz des Maßes zu lehren« 142 Exem-<br />

plarisch wird dies in der Silvesteransprache 1949 formuliert: »Wollt Ihr wieder den<br />

Reichstag der dreißiger Jahre, wo alles 'glatt' ging? Es war der glatte Weg, der in den Ab-<br />

grund führte. Das demokratische Verfahren war nie glatt und bequem. Mit seinen Brems-<br />

vorrichtungen verteilt es Verantwortungen und im tiefen Sinn will es den Bürger dazu er-<br />

ziehen, selber Verantwortung zu übernehmen.« 143<br />

Zentrale Aufgabe der Politik ist es demnach, Gemeinschaft zu ermöglichen, ohne sich<br />

suggestiver und demagogischer Techniken zu bemächtigen. Beispielhaft ist demnach das<br />

Erlebnis eines Staatsbesuchs in Berlin: »Masse? Menge? Die Unterscheidung verschwimmt<br />

– die äußere Freiheit der vielen lebt aus der inneren Freiheit des Einzelnen.« 144<br />

Eigentümlich ist die Ambivalenz der <strong>Heuss</strong>'schen Ansichten vom Individuum. Auf der<br />

einen Seite scheint sein Glaube an die individuelle Kraft ungebrochen zu sein, auf der<br />

anderen Seite verträgt sich der von <strong>Heuss</strong> formulierte politische Führungs- und Erzie-<br />

hungsanspruch nur bedingt mit der Vorstellung individueller Autonomie. Unklar ist zum<br />

Beispiel, woher die Legitimationsquelle dieser Ansprüche stammt oder wo ihre Grenzen im<br />

Sinne einklagbarer Abwehrrechte zu verorten sind.<br />

140 siehe <strong>Heuss</strong> (1964); Die Volksversammlung ; S. 308<br />

141 Felder (1995); Formkräfte einer politischen Stilbildung; Rede am 02.05.1952; S. 314<br />

142 Pikart/Mende (1967); Brief an Friedrich Dessauer ; S. 290<br />

143 Kohler (1989); Sylvesteransprache vom 31.12.1949; S. 21<br />

144 Felder (1995); Formkräfte einer politischen Stilbildung; Rede am 02.05.1952; S. 316<br />

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