pdf | 1MB - Theodor-Heuss - Kolleg
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Zweck dienen, die verschiedenen auf die Bürger gerichteten Politiken von <strong>Heuss</strong> zu<br />
analysieren.<br />
▌ 1. Teilung normativer Vorstellungen<br />
Übereinstimmung mit den der politischen Kultur zu Grunde liegenden Orientierungen<br />
Orientierungen schafft Identifikation. Wenn <strong>Heuss</strong> also auf einen überwältigenden Teil der-<br />
jenigen, die sich mit ihm beschäftigen, eine Faszination ausübt, dann deshalb, weil er<br />
nicht einem vorherrschenden Politiker-Stereotyps entspricht: Dem des allenfalls mit Halb-<br />
wissen ausgestatteten Organisators von Mehrheiten, der die Frage nach seinem eigenen<br />
Weltbild allenfalls mit »pragmatisch« beantworten kann.<br />
Zudem beeindruckt seine Bildung, seine Kontakte und damit seine Verwobenheit mit<br />
der an Entwicklung reichen Geschichte des letzten Jahrhunderts: »In diesem Leben<br />
spiegelt sich eine Epoche von imponierender Spannweite. in seiner Persönlichkeit, so hat<br />
die ihm befreundete Journalistin Margarete Bovery einmal geschrieben, habe sich 'aus<br />
dem Stoff der Zeit unendlich viel gebrochen [...]'«. 324 So wie <strong>Heuss</strong> sich selbst in eine<br />
demokratische politische Tradition seit 1848 einordnet, gibt der Bezug zu seiner Person<br />
dem eigenen Geschichtsbild eine positive Färbung. 1959 formuliert er im Andenken<br />
Schillers: »an diesem Tag, heute vor zehn Jahren, gingen immer wieder – Trost,<br />
Mahnung, Sicherung – drei Zeilen Schillers durch den Sinn: Stürzte auch in Krieges-<br />
flammen / Deutsches Kaiserreich zusammen / Deutsche Größe bleibt bestehen.« 325<br />
Dies ist vor allem für Angehörige eines Bildung als zentralen Wert begreifenden Milieus<br />
ein besonders attraktives Identifikationsangebot. Auf andere wirkt er möglicherweise be-<br />
eindruckend oder originell, gleichzeitig aber auch fremd und distanziert. Auf diese Ziel-<br />
gruppe und besonders auf die diesem Milieu zuzuschreibende Deutungselite konzentriert<br />
<strong>Heuss</strong> seine zeichenpolitischen Handlungen als Bundespräsident. Demzufolge erscheint er<br />
als großer und sorgfältiger Redner, der den nachfolgenden Bundespräsidenten die Stan-<br />
dards gesetzt hat. Für Heinrich Lübke, den Nachfolger von <strong>Heuss</strong>, muss extra eine<br />
»Ghostwriter«-Stelle eingerichtet werden und <strong>Heuss</strong> ist stolz darauf, eine solche Zuarbeit<br />
nicht in Anspruch genommen zu haben. Dem Präsidentenamt hat <strong>Heuss</strong> einen »Stil« gege-<br />
ben, der den Zugriff auf dieses Amt für Vertreter des bildungsbürgerlichen Milieus nahe-<br />
legt.<br />
Auch mit seinen geschichtspolitischen Äußerungen ist er traditionsbildend gewesen:<br />
Wenn auch solche Konstruktionen wie die »Kollektivscham« heute zum Widerspruch auf-<br />
fordern, so gilt die <strong>Heuss</strong>sche Betonung des Zwangs zur Erinnerung nach wie vor. Einge-<br />
schränkt kann man Hildegard Hamm-Brücher Recht geben: »Dieses unbequeme immer<br />
wieder mahnende 'wir dürfen nicht vergessen' erforderte in der dumpfen 'Zeit des Be-<br />
324Rudolph (2000); S. 26<br />
325 Dahrendorf/Vogt (1984); Ein Vermächtnis: Friedrich Schiller; S.448<br />
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