Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
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Die kausale Liebe<br />
Die Liebe zwischen Mann und Frau ist persönlich, monogam. Sie hat we<strong>der</strong> eine Ursache<br />
noch einen Zweck. Nach <strong>der</strong> Bibel ist sie ein Modell <strong>der</strong> Liebe Gottes zu Israel.<br />
Sie ist zwar von Gefühlen begleitet, aber in ihrem Kern ist sie kein Gefühl, son<strong>der</strong>n die<br />
letztlich nicht begründbare innere Gewissheit bei<strong>der</strong> Partner, dass sie zusammengehören<br />
und zusammenbleiben wollen, was immer passiert. Daraus wird eine Verschwörung auf<br />
Leben und Tod – ein Bündnis, in <strong>der</strong> jedes Problem gelöst werden kann, weil die Partner<br />
keine Alternative dazu haben.<br />
Sex ist unpersönlich, polygam – und kausal.<br />
Die Ursache des Sex ist <strong>der</strong> Geschlechtstrieb, und sein Zweck ist die Fortpflanzung.<br />
Wenn <strong>der</strong> kausale Mensch Liebe sagt, meint er Sex. Sex besteht nur aus Gefühlen und<br />
ist daher <strong>der</strong> Zeit unterworfen. Deshalb kann sich <strong>der</strong> kausale Mensch nicht über den<br />
Augenblick hinaus binden.<br />
Er geht hoch, wenn ihn jemand „meine“ Frau nennt o<strong>der</strong> „mein“ Mann. Als Materialist<br />
kann er das nur so verstehen, dass jemand Besitzansprüche an ihn stellt.<br />
Aber „meine“ Frau ist nicht mein Besitz, sowenig wie „mein“ Kind, „mein“ Land o<strong>der</strong><br />
„mein“ Gott.<br />
Es geht um etwas ganz an<strong>der</strong>es als um Besitz: Meine Frau – das ist die Person, mit <strong>der</strong><br />
ich mich identifiziere. Was gut ist für sie, ist auch gut für mich. Wenn jemand ihr zu<br />
nahe tritt, dann tritt er mir zu nahe. Trotzdem sind wir alles an<strong>der</strong>e als gleich. Identifikation<br />
ist ja etwas ganz an<strong>der</strong>es als Angleichung.<br />
Der geistbegabte Mensch identifiziert sich in <strong>der</strong> Liebe mit seinem Partner – eine freie,<br />
nichtkausale Entscheidung ohne wissenschaftlich erforschbare Ursache.<br />
Weil er dafür keinen Grund angeben kann, hat sie auch kein Ende.<br />
Für den kausalen Menschen liegt <strong>der</strong> Reiz <strong>der</strong> Sexualität nicht in <strong>der</strong> Identifikation,<br />
nicht in Nähe und Vertrautheit, son<strong>der</strong>n im Gegenteil, in <strong>der</strong> Fremdheit. Bindungen sind<br />
ihm ein Schrecken und Intimität ist für ihn <strong>der</strong> Tod einer Beziehung.<br />
Seine Liebe hat immer Gründe.<br />
Er braucht immer neue Partner, denn sie behalten ihre erotische Anziehungskraft immer<br />
nur solange sie neu sind, das heißt fremd. Die Beschäftigung mit immer dem gleichen<br />
Objekt ist ja, wer könnte das nicht verstehen, auf Dauer langweilig. Sobald man sich<br />
aneinan<strong>der</strong> gewöhnt hat, fällt <strong>der</strong> Grund für die Liebe weg.<br />
Deshalb kann <strong>der</strong> kausale Mensch einer so intimen und auf Lebenszeit angelegten Beziehung<br />
wie einer Ehe absolut nichts abgewinnen.<br />
Er kann gar nicht lieben.<br />
Es ist kein Zufall, dass Sex für ihn eine <strong>der</strong>maßen große Rolle spielt. Ohne Geist bleiben<br />
ihm nur noch die Triebe.<br />
In Bernardo Bertoluccis Film „Der letzte Tango von Paris“ versucht ein Mann, den<br />
Schmerz über den Verlust seiner Frau durch eine rein animalische, anonyme sexuelle<br />
Affäre zu verdrängen. Als seine Partnerin dann, entgegen ihrer Abmachung, doch ihren<br />
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