Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus

Die kausale Nation
In Deutschland kennen wir den Unterschied zwischen Patriotismus und Nationalismus
nicht. Weil das Ausland unseren Nationalismus nicht schätzt, meinen wir, keine Patrioten
sein zu dürfen. Deshalb sind wir es auch nicht. Weil viele junge Leute gern Patrioten
wären, man ihnen dazu aber keine Gelegenheit gibt, schwenken sie Hakenkreuzfahnen
und werden Nationalisten.
Die Linken wurden bei uns früher als „vaterlandslose Gesellen“ beschimpft. Denn nach
Karl Marx hat der Arbeiter kein Vaterland. 64 Auch in diesem Punkt hat bei uns der
Materialismus gesiegt: Wir lieben unser Land nicht.
Kaum etwas entlarvt den kausalen Menschen deutlicher als seine Einstellung zu seinem
Lebenspartner, seiner Familie – und zu seinem Land.
Wer seinen Partner und seine Familie nicht liebt, liebt auch sein Land nicht. Ohne Nation
und ohne Familie und ohne Ehe ist jeder allein und dem freien Spiel der Kräfte zwischen
bald sechs Milliarden Menschen ausgeliefert.
Seit Hitler, der kein Patriot war, sondern ein Darwinist, wird das Wort „Vaterland“ in
Deutschland als peinlich empfunden. Niemand, der sich die Achtung seiner Mitmenschen
bewahren will, nimmt es in den Mund – außer Helmut Kohl, der deswegen belächelt
wird.
Da der kausale Mensch seine Identifikation mit seinem Lebenspartner, seiner Familie
und Eltern abgeschafft hat, fehlt ihm auch die Nation.
Die Russen haben ihr Mütterchen Russland, die Franzosen ihre Marianne, und die Angelsachsen
nennen ihr Land respektvoll She, wie eine Frau, und nicht it, wie eine Sache.
Aber wir betrachten unser Land nicht als Subjekt, sondern als Objekt – so wie uns
selbst. Mit einem Objekt identifiziert man sich nicht, man gleicht sich ihm höchstens an.
So ist es verständlich, dass die Deutschen nichts dagegen haben, ihr Land in Europa
aufgehen lassen.
Deutschland ist dort, wo es die meisten sozialen Wohltaten gibt. Viele Ausländer möchten
den Deutschen gleich werden, um daran teilhaben zu können. Aber mit Deutschland
identifizieren will sich keiner.
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