Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
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Sie konstruieren aus <strong>der</strong> christlichen Frohbotschaft eine Religion <strong>der</strong> Ge- und Verbote,<br />
wie alle an<strong>der</strong>en auch. Wie einst die Pharisäer erfinden sie Sündenkataloge, die nach<br />
ihren eigenen Vorlieben maßgeschnei<strong>der</strong>t sind. Sie verbieten alles, was sie sowieso<br />
nicht interessiert: Fernsehen und Sport, Literatur und Kunst, ja sie lassen sogar ihre<br />
Kin<strong>der</strong> nicht zu <strong>der</strong>en Schulfesten gehen, weil die ihnen zu „weltlich“ sind. Urlaubsreisen<br />
in ferne Län<strong>der</strong> sind nur dann erlaubt, wenn sie nach Israel führen o<strong>der</strong> sonst einem<br />
frommen Zweck dienen.<br />
Ihnen selbst verschaffen ihre selbst erfundenen Gesetze, für die es in <strong>der</strong> Bibel keinerlei<br />
Grundlage gibt, das Gefühl, beson<strong>der</strong>s fromm zu sein, und versetzen sie in die Lage, auf<br />
alle, die sie nicht einhalten, mit Verachtung herabzusehen.<br />
Dass Hochmut eine <strong>der</strong> schlimmsten Sünden ist, übersehen sie geflissentlich.<br />
Sie verdrehen den Sinn des Wortes Gottes ins Gegenteil, denn Freiheit und Freude gehören<br />
zu den wichtigsten Merkmalen des christlichen Glaubens. Nicht erst im Jenseits,<br />
son<strong>der</strong>n auch in diesem Leben hat <strong>der</strong> Christ viel mehr Lebensqualität als je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e.<br />
Von den gleichen Kreisen wird Jesus, <strong>der</strong> Konstrukteur und Herr des Universums, vor<br />
dessen Anblick Himmel und Erde fliehen 77 zu einem einfältigen Heiland verkitscht, <strong>der</strong><br />
verzweifelt Anhänger sucht, aber fast keine mehr findet. Sie erwecken den Eindruck,<br />
das Wort Gottes hätte ein so dürftiges Niveau, dass es nur den geistigen Ansprüchen<br />
von Dummen genügen kann. Die Bücher, die ihre Verlage publizieren, zeichnen sich<br />
vor allem durch Provinzialität aus.<br />
Es ist verständlich, dass sich dadurch viele Außenstehende vom christlichen Glauben<br />
abgestoßen fühlen, und dass Kin<strong>der</strong> aus solchen Elternhäusern – Ingmar Bergman zum<br />
Beispiel, o<strong>der</strong> Friedrich Nietzsche – den Absprung in den Atheismus immer wie<strong>der</strong> als<br />
eine herrliche Erfrischung empfunden haben.<br />
Lei<strong>der</strong> haben nicht nur Ungläubige, son<strong>der</strong>n auch viele Gläubige Gott zu ihrem Objekt<br />
gemacht.<br />
Vom Kern des christlichen Abendlandes ist nur noch sein Verwesungsgeruch geblieben.<br />
Das Bollwerk <strong>der</strong> christlichen Kultur wurde – nahezu unbemerkt von <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
– geschleift.<br />
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