Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
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Synchronismus<br />
Mit <strong>der</strong> Zeit ist es dasselbe.<br />
Je<strong>der</strong> Augenblick des Lebens ist einmalig. Aber die mathematische Zeit ist gleich.<br />
Die Gleichheit von Raum und Zeit verbreitet sich schnell wie eine Epidemie, die Abstraktion<br />
ist viel schneller als die Realität, sie hat sie längst überholt.<br />
Einst kam zuerst das Erleben und dann die Erinnerung, zuerst das Original und dann die<br />
Abbildung, zuerst die Tatsache und dann ihre Karikatur.<br />
Zuerst das Vorher und dann das Nachher.<br />
Kopien, Kommentare, Interpretationen und Karikaturen eilen den immer knapper werdenden<br />
Originalen weit voraus.<br />
Alles ist schon vorgelebt.<br />
Die Älteren haben in ihrer Kindheit noch ein Gutteil Originalleben abbekommen. Aber<br />
unsere Kin<strong>der</strong> werden vom ersten Tag an von Kopien des Lebens überholt. Das Originalleben<br />
ist, bevor es eine Chance hat, für sie eine hoffnungslos langweilige Wie<strong>der</strong>holung,<br />
eine Kopie mehr, die nur den Nachteil hat, dass sie nicht mit <strong>der</strong> Fernbedienung<br />
abgeschaltet werden kann.<br />
Immer mehr Jugendliche werden zu Mör<strong>der</strong>n, weil sie die Realität nicht mehr von <strong>der</strong><br />
Fiktion unterscheiden können.<br />
Wie man ein Baumhaus baut, was geschlechtliche Liebe ist und wie man sie vollzieht,<br />
weiß jedes Kind aus den Medien, bevor es eine Chance hat, es selbst herauszufinden. Es<br />
bleibt ihm nichts mehr zu entdecken, es kann nur noch alles nachmachen.<br />
Ist es da ein Wun<strong>der</strong>, dass so viele Jugendliche Selbstmord begehen?<br />
In den Vor-TV-Generationen wussten die 14jährigen, was sie einmal werden wollten,<br />
sie konnten es kaum erwarten, und sie wurden es dann auch.<br />
Unsere heutigen, von uns kausal gemachten Kin<strong>der</strong> wissen es beim Abitur immer noch<br />
nicht. Weil sie schon alles kennen, alles haben und schon überall waren.<br />
Wo die <strong>Natur</strong> herrscht, wächst kein Gras mehr.<br />
Sie sind am Ziel, bevor sie zum Start kommen konnten, sie wollen für die Wie<strong>der</strong>holung<br />
dessen, was sie sowieso schon kennen, nicht auch noch Risiken eingehen, sie wollen<br />
kein eigenes Leben. Risiken einzugehen, dazu noch für nichts, ist irrational, es orientiert<br />
sich nicht an den <strong>Natur</strong>gesetzen.<br />
Sie wollen nicht einmal eigene Kin<strong>der</strong>.<br />
Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde,<br />
schreibt Salomo 57 , weinen hat seine Zeit und lachen hat seine Zeit; klagen hat seine<br />
Zeit, tanzen hat seine Zeit; Steine wegwerfen hat seine Zeit und Steine sammeln hat seine<br />
Zeit, herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit...<br />
Wo die Zeit gleich gemacht ist, hat nichts mehr seine Zeit.<br />
Die mit <strong>der</strong> Uhr gemessene gleiche Zeit läuft jede Sekunde unerbittlich weiter, sie kennt<br />
kein Verweilen, <strong>der</strong> kausale Mensch kann nicht warten. Er ist nicht mehr Herr über die<br />
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