Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
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Von <strong>der</strong> Identität zur Rolle<br />
Das Subjekt hat eine Identität.<br />
Ein Objekt hat keine Identität, es ist selbst niemand, es ist nur das, wozu es definiert<br />
wird.<br />
Definiert wird etwas nicht als das, was es an sich ist, denn es gibt kein Objekt an sich.<br />
Definiert wird nur die Rolle, die es jeweils in bezug auf an<strong>der</strong>e spielt. Ein und dasselbe<br />
Objekt kann alles mögliche sein.<br />
Ein Buch kann Lesestoff sein, aber auch in einer Reihe mit an<strong>der</strong>en Tarnung einer geheimen<br />
Bar hinter einem Bücherregal o<strong>der</strong> die Sitzunterlage für ein Kind am Esstisch.<br />
So ist auch <strong>der</strong> kausale Mensch an sich nichts, er ist nur das, wozu er gebraucht wird.<br />
Das heißt, er spielt nur Rollen.<br />
Er kann sich angleichen, aber nicht identifizieren – we<strong>der</strong> mit sich noch mit an<strong>der</strong>en. Er<br />
ist ständig vor sich, vor seiner Identität, auf <strong>der</strong> Flucht, denn sobald er sich einholen<br />
würde, wäre er ein Subjekt, eine Person. Wenn <strong>der</strong> kausale Mensch noch „ich“ sagt,<br />
dann nur aus Gewohnheit, denn er meint es nicht mehr so.<br />
War die Identität einer Person etwas Absolutes, eine absolute innere Gewissheit, so ist<br />
die Rolle relativ. Der kausale Mensch weiß nicht, wer er ist. Er lässt das, was er „ist“,<br />
seine Rolle, nach dem freien Spiel <strong>der</strong> Kräfte jeweils von außen definieren: Von an<strong>der</strong>en<br />
Menschen, von den Umständen, aber auch von seinen eigenen Gefühlen.<br />
Das Subjekt hat eine Identität und keine Definition.<br />
Ein Objekt hat eine Definition, aber keine Identität.<br />
Der Schauspieler, den wir nach <strong>der</strong> Vorstellung in <strong>der</strong> U-Bahn treffen, ist nicht mehr<br />
König Lear. Er hat ihn nur dargestellt. Jetzt stellt er einen an<strong>der</strong>en dar – einen U-<br />
Bahnfahrgast. Zu Hause, bei seiner Frau, gibt er dann die Rolle eines Ehemannes.<br />
An<strong>der</strong>s das Subjekt. Es hat eine Identität an sich und bewahrt sie unabhängig davon,<br />
welche Rolle es als Objekt für an<strong>der</strong>e spielt, zeit seines Lebens – egal, ob er vom Generaldirektor<br />
zum Arbeitslosen abstürzt o<strong>der</strong> vom Häftling zum Staatspräsidenten aufsteigt.<br />
Dem kausalen Menschen fehlt die Dimension <strong>der</strong> Ewigkeit, er unterliegt ganz <strong>der</strong> Zeit.<br />
Er wandelt sich unaufhörlich.<br />
Er könnte sich selbst dann nicht treu sein, wenn er wollte, denn er kann nicht wissen,<br />
wer er morgen ist. Wenn er überhaupt eine Ehe eingeht – das heißt, die Rolle eines Ehepartners<br />
spielt – dann nur auf Zeit.<br />
Der kausale Mensch ist nicht mehr alles, wie das Subjekt, son<strong>der</strong>n immer nur eines,<br />
nämlich ein Objekt.<br />
Aber was für eines? Seit <strong>der</strong> Mensch Objekt geworden ist, muss er das an jedem neuen<br />
Tag unbedingt wissen. Es ist kein Zufall, dass <strong>der</strong> kausale Mensch ständig auf <strong>der</strong> Suche<br />
nach sich selbst ist.<br />
Rollen sind sklavisch.<br />
Das Subjekt ist Herr.<br />
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