Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
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Die Verneinung des Leidens<br />
Wäre Gottes Primärziel für diese Welt ein Leben in Saus und Braus für je<strong>der</strong>mann, dann<br />
wäre er gründlich gescheitert.<br />
Es ist aber nicht sein Primärziel. Im Gegenteil. Das Leiden spielt für ihn eine zentrale<br />
Rolle – wer vom Leiden nichts weiß, <strong>der</strong> weiß auch nichts von Gott. Es ist kein Zufall,<br />
dass ein Großteil unserer christlichen Theologen kein Verständnis mehr für Karfreitag<br />
aufbringt.<br />
Hellen Keller, taub und blind geboren, war zeit ihres Lebens eine glückliche Person.<br />
Ihre Bücher sind voller Dankbarkeit gegen Gott.<br />
Joni Eareckson, eine 18jährige, attraktive, lebenslustige Studentin, bricht sich bei einem<br />
Kopfsprung das Rückgrat und lebt seither im Rollstuhl – sie ist voller Dank für ihren<br />
Unfall.<br />
Friedrich von Bodelschwingh – <strong>der</strong> Mann, <strong>der</strong> als erster die Geisteskranken als Mitmenschen<br />
behandelte und die nach ihm benannten Anstalten in Wuppertal begründet hat<br />
– verlor innerhalb einer Woche durch eine Epidemie Frau und Kin<strong>der</strong> und hat das aus<br />
Gottes Hand gern angenommen.<br />
Für den kausalen Menschen ist das Leben, wenn es hoch kommt, nur unter Idealbedingungen<br />
lebenswert. Wenn sie nicht mehr zutreffen, wird er lebensmüde und schluckt<br />
Veronal.<br />
Wenn er sich auf dem Gehsteig das Bein bricht, macht er die Stadtverwaltung dafür<br />
haftbar. Der Gedanke, dass Leiden einen Sinn haben könnte, ist für ihn absurd.<br />
Die Sinnfrage erhält ihre Antwort eine Etage höher, <strong>der</strong> kausale Mensch kennt aber<br />
nichts Höheres.<br />
Er lebt nur im Parterre, Leiden ist für ihn eine sinnlose Reizung von Nervenenden, die er<br />
um jeden Preis abstellen will.<br />
Der Subjektmensch kann zum Leiden Abstand gewinnen, wenn er will, denn er ist zwei<br />
in einem, er ist Subjekt und Objekt. Er kann wählen. Er kann ein Unglück das Subjekt<br />
treffen lassen, das er ist, o<strong>der</strong> das Objekt, zu dem er Abstand hat. Er kann sich von ihm<br />
besiegen lassen o<strong>der</strong> daran wachsen, er kann es geistig betrachten o<strong>der</strong> materiell.<br />
Er kann sein Leid annehmen o<strong>der</strong> ablehnen.<br />
Im Deutschen haben wir das Wort „Heimsuchung“, kaum einer weiß noch von seinem<br />
ursprünglichen Sinn: Gott sucht uns durch Leiden heim, nämlich heim zu sich. Wie<br />
traurig für alle, die sich von seinen Heimsuchungen nicht finden lassen.<br />
Leid lenkt von <strong>der</strong> materiellen, zeitlichen Welt ab und führt hin zur immateriellen, ewigen.<br />
Wer im Leiden nur die materielle Welt hat, ist arm dran. Aber vielleicht entdeckt er<br />
gerade dadurch die immaterielle?<br />
Leid kann läutern.<br />
Leid kann zur Umkehr führen. Vor allem dann, wenn es selbst verschuldet ist.<br />
Der eine erkennt seine Verantwortung und nimmt seine gerechte Strafe an. Er identifiziert<br />
sich mit <strong>der</strong> Gerechtigkeit gegen seine eigene Schwäche.<br />
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