Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
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Die Befreiung vom Geist<br />
Ohne Geist lebt sich’s bestens!<br />
Weil sie uns glauben machten, es gebe neben <strong>der</strong> materiellen Welt noch eine an<strong>der</strong>e,<br />
eine immaterielle, voller Geister, mit einem obersten Geist an <strong>der</strong> Spitze, einem Gott,<br />
hatten wir uns vorgestellt, auch in uns wohne ein solcher Geist, in uns sei außer dem<br />
physischen noch ein zweiter, ein „innerer“ Mensch verborgen. Wir hatten gedacht, <strong>der</strong><br />
gehört nicht zur <strong>Natur</strong>, <strong>der</strong> ist aus einem ganz an<strong>der</strong>en Material. Wir hatten geglaubt, er<br />
stünde über <strong>der</strong> <strong>Natur</strong> – und wir mit ihm. Der Mensch unterscheide sich in diesem Punkt<br />
grundsätzlich von allen an<strong>der</strong>en Lebewesen.<br />
<strong>Natur</strong>gemäß haben wir diesem hohen Anspruch nie genügt. Deshalb hatten wir ständig<br />
ein schlechtes Gewissen.<br />
Aber das mit <strong>der</strong> Puppe in <strong>der</strong> Puppe war nichts.<br />
Es ist vielleicht 30 Jahre her, da war ein französischer Film in den Kunstkinos, „Le bonheur<br />
dans le crime“ – Das Glück im Verbrechen. Eine Dreiecksgeschichte. Der überflüssige<br />
Dritte, ein ausgesprochenes Ekel, wird – im Film und im Leben kein Novum – von<br />
den Liebenden beseitigt.<br />
Der Zuschauer hat erwartet, was bis dahin am Ende immer kommen musste: Das<br />
schlechte Gewissen und die Strafe. Aber sie kamen nicht.<br />
Sie kamen einfach nicht!<br />
Sie kommen nie mehr!<br />
Liebende dürfen fortan ihr Glück genießen. Ganz in eigener Regie und daher in Vollkommenheit.<br />
– Keine Polizei, keine Gewissensbisse, kein Gott.<br />
Nur das Glück.<br />
Die <strong>Natur</strong> hat gesiegt.<br />
Umarmungen, Küsse, Zärtlichkeit – sie kosten hinfort nichts mehr!<br />
Wir hatten uns nie getraut, an das Glück zu glauben, an das bedingungslose, geschenkte,<br />
reine, an das straflose Glück. An den Genuss ohne Reue.<br />
Aber haben wir es nicht schon immer geahnt? In unserem tiefsten Innern?<br />
Die Sehnsucht war groß, und sie wuchs, und sie wurde so groß, dass sie endlich alle<br />
Fesseln gesprengt hat: Jetzt ist das Glück da, aufgebaut vor unseren Augen wie ein festliches<br />
Buffet.<br />
Schluss mit dem Masochismus! Keiner wird dich je wie<strong>der</strong> bestrafen!<br />
Denn es ist keiner mehr da!<br />
Das Irrationale ist besiegt. Die <strong>Natur</strong>wissenschaften haben den Geist ausgetrieben und<br />
alle an<strong>der</strong>en Gespenster.<br />
Das religiöse Gen, das wir von den Affen hatten o<strong>der</strong> vom Urschleim o<strong>der</strong> von sonst<br />
wem, ist zu nichts mutiert. Die <strong>Natur</strong> hat uns in die Freiheit ihrer selbst entlassen. Es<br />
gibt jetzt bloß noch <strong>Natur</strong>.<br />
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