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Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus

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Die Freiheit <strong>der</strong> Wahrnehmung<br />

Wie schön wäre die Welt ohne die Realität. Zumindest manchmal.<br />

Der leidenschaftliche Verehrer hat <strong>der</strong> jungen Frau schon wie<strong>der</strong> aufgelauert und erschreckt<br />

sie von hinten mit dem Zuruf: „Ich kann ohne dich nicht leben!“<br />

Sie schreit in verzweifelter Entrüstung zurück: „Ich verbiete Ihnen, mich weiter zu verfolgen!“<br />

Das geht schon seit Wochen so. Er will nicht begreifen, dass ein so wun<strong>der</strong>bares Gefühl,<br />

wie er es hat, nicht erwi<strong>der</strong>t wird.<br />

Die eiskalte Dusche verfehlt auch diesmal ihre Wirkung.<br />

Denn für ihn steht fest: Es war nur ein weiteres Zeichen ihrer Liebe. Ja, so muss es sein,<br />

es ist gar nicht an<strong>der</strong>s möglich, wie könnte ich auch nur einen Augenblick lang zweifeln!<br />

Frauen sind so! – Sie wollen erobert werden! Sie will mich nur anspornen. Ich<br />

muss jetzt meine Anstrengungen verdoppeln! Ich werde mit Riesenbuchstaben an ihre<br />

Hauswand sprayen: Heidi, Du bist wun<strong>der</strong>bar! Dein Michael!<br />

Ein glücklicher Sieger verlässt die Walstatt.<br />

Das Subjekt ist souverän, sogar bei <strong>der</strong> Wahrnehmung <strong>der</strong> Realität.<br />

Ein Zukunftstraum des kausalen Menschen ist eine Art „Nürnberger Trichter“, <strong>der</strong> das<br />

Wissen ohne Aufwendung eigener Mühe fix und fertig direkt ins Gehirn leitet – eine<br />

Art ins Gehirn implantierbare CD-ROM.<br />

Aber das Subjekt ist dem weit voraus.<br />

Es ist kein bloßer Monitor <strong>der</strong> Wirklichkeit. Es nimmt nicht fix und fertige Objekte<br />

wahr, son<strong>der</strong>n es definiert sie jeweils selbst, indem es sie vor dem Hintergrund all seiner<br />

bisherigen Bewusstseinsinhalte unterscheidet und in sein Weltbild – eigentlich in seine<br />

Person – logisch, das heißt sinnvoll, integriert.<br />

So wie Gott bei <strong>der</strong> Erschaffung <strong>der</strong> Welt das Licht von <strong>der</strong> Finsternis schied, und den<br />

Tag von <strong>der</strong> Nacht, und das Wasser in <strong>der</strong> Luft von dem Wasser auf <strong>der</strong> Erde.<br />

Das Subjekt macht sich seine eigene Welt.<br />

Es ist zum Herrschen bestimmt und seine Macht ist so groß und seine Freiheit so umfassend,<br />

dass er sogar seine Bewusstseinsinhalte frei definieren kann. Nach seiner eigenen<br />

Logik.<br />

Seine Welt ist daher immer in sich logisch.<br />

Normalerweise wird es versuchen, durch Identifikation mit an<strong>der</strong>en seine Welt mit <strong>der</strong>en<br />

Welt in Einklang zu bringen. Wem das nicht gelingt, <strong>der</strong> gilt als Son<strong>der</strong>ling o<strong>der</strong> gar<br />

als Verrückter.<br />

Je mehr eine Sicht <strong>der</strong> Welt teilen, desto überzeugen<strong>der</strong> ist sie.<br />

Persönlichkeiten, die an<strong>der</strong>e für ihre Weltsicht und ihre Ziele begeistern können, werden<br />

oft charismatische Führer. Als Englands Lage im 2. Weltkrieg ziemlich aussichtslos<br />

schien – die Armeen Hitlers hatten den größten Teil des europäischen Festlands erobert<br />

– gelang es Winston Churchill, seinen Landsleuten seine Vision vom Sieg über die<br />

Deutschen zu vermitteln.<br />

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