Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Die Kosmetikindustrie gleicht Millionen Frauen dem jeweils gleichen Ideal <strong>der</strong> Weiblichkeit<br />
an, das sie kreiert, o<strong>der</strong> das sich vielmehr durch sie selbst kreiert.<br />
Man erwartet ganz selbstverständlich von einem solchen synthetisierten Geschöpf, dass<br />
es sich auch so verhält, wie es seiner Erscheinung verspricht – gleich, wie alle an<strong>der</strong>en,<br />
die so aussehen, und berechenbar. Und es gibt sich auch alle Mühe.<br />
Am besten sagt es gar nichts, damit <strong>der</strong> Typ, den es darstellt, nicht durch eine eigene<br />
Persönlichkeit kaputtgemacht wird. Und wenn es schon etwas sagt, dann sollten es Kopien<br />
erfolgreich erprobter Dialoge sein – aus Ratgebern o<strong>der</strong> Filmen.<br />
Viele Männer haben sich in die Idee einer genormten Weiblichkeit <strong>der</strong>maßen verstiegen,<br />
dass sie absichtlich nur mit fremdländischen Frauen Beziehungen eingehen, mit denen<br />
sie sich über das Wort „Darling“ hinaus nicht verständigen können, und bei denen keine<br />
Gefahr einer Identifikation besteht. Es ist eine neue Form <strong>der</strong> Prostitution, und die Erwählten<br />
sind auch vorzugsweise Prostituierte an<strong>der</strong>er Rassen. Die Partnerin soll ja nur<br />
eine Geliebte darstellen, aber niemand sein.<br />
Kaum einer weiß noch etwas mit einem Unikat anzufangen. Man wählt beim Autokauf<br />
ja auch keinen Exoten. Damit kennt sich keine Werkstatt aus. Zu welchem Psychiater<br />
soll man eine einmalige Frau denn im Fall eines Falles bringen?<br />
Wie soll man jemand überhaupt beurteilen, wenn er unvergleichlich ist?<br />
Die Verbindung dauert dann logisch nur so lange, wie <strong>der</strong> eine die Typenerwartung des<br />
an<strong>der</strong>en nicht durch persönliche Eigenarten zerstört, die nur Unarten sein können. Da<br />
wir in <strong>der</strong> Wegwerfgesellschaft leben, in <strong>der</strong> sich Reparaturen nicht mehr lohnen, entledigt<br />
man sich des unbrauchbar gewordenen Menschen mittels Flugticket – Return zu<br />
sen<strong>der</strong>!<br />
Was Wun<strong>der</strong>, dass unser Leben nur noch aus <strong>der</strong> Schaffung und Befriedigung allgemeiner,<br />
unpersönlicher Bedürfnisse besteht: Gleiche Arbeit, gleicher Konsum.<br />
Wer aus <strong>der</strong> Reihe tanzt, muss verrückt sein. Er hat we<strong>der</strong> privat noch beruflich eine<br />
Chance.<br />
72