Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
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Denn auch wenn <strong>der</strong> kausale Mensch den Geist verleugnet, so hat er doch einen. Er behauptet<br />
zwar, eine Art Tier zu sein, aber ihm fehlt <strong>der</strong> Seelenfrieden <strong>der</strong> Tiere.<br />
Er leidet unter <strong>der</strong> Gewalt, die er seinem Geist antut.<br />
Das Subjekt – und in Wirklichkeit ist je<strong>der</strong> eins – findet als Objekt trotz allem Selbstbetrug<br />
keinen Platz in <strong>der</strong> materiellen Welt.<br />
Die Philosophen des kausalen Menschen nennen das verzweifelte Aufflackern des Subjekts<br />
im kausalen Menschen eine „Fehlentwicklung <strong>der</strong> Evolution“.<br />
In Camus Novelle Der Fremde geschieht – ebenso wie in Antonionis Film Blow up –<br />
ein Mord, keiner weiß warum, niemand interessiert sich dafür.<br />
Die lichte Landschaft Algeriens, <strong>der</strong> englische Park mit seinen in heller Sommernacht<br />
rauschenden Bäumen – ihre Schönheit dient nur als Kontrast-Kulisse für die Sinnlosigkeit.<br />
Dem kausalen Menschen ist alles egal. Antonioni, Buñuel, Bergman, Fassbin<strong>der</strong>: Die<br />
Beziehung zwischen zu Objekten gewordenen Subjekten, die nichts mit sich anzufangen<br />
wissen. Tote, die sich ins Leben verirrt haben.<br />
Mein Leben ist ein dunkler Weg, <strong>der</strong> nach nirgendwo führt und wie<strong>der</strong> nach nirgendwo<br />
und noch einmal nach nirgendwo, immer und ewig nach nirgendwo, schrieb Hemingway<br />
vor seinem Selbstmord.<br />
Wenn es dem kausalen Menschen nicht gelingt, seinen Geist völlig zu verdrängen o<strong>der</strong><br />
mit allen möglichen Drogen zu betäuben, bringt er sich um.<br />
Er kann nur leben, wenn er nicht nachdenkt.<br />
Der kausale Mensch wollte sich <strong>der</strong> Verantwortung für seine Taten entziehen. Er hat die<br />
Rettung von ihren Folgen verschmäht. Das kommt ihn teuer. Er selbst bestraft sich aufs<br />
grausamste: Er bereitet sich die Hölle selbst.<br />
Die Apokalypse ist, wie inzwischen je<strong>der</strong> weiß, von Menschen gemacht. Und sie kann<br />
nicht mehr fern sein.<br />
Auch wenn sich in unserem Alltagsleben auf den ersten Blick noch nicht viel geän<strong>der</strong>t<br />
hat.<br />
Obwohl Millionen bereits Ehe und Familie, Liebe und Treue, Geist und Gott bewusst<br />
ablehnen, lassen sie sich doch noch unbewusst von den alten Werten bestimmen. Viele<br />
Atheisten leben hoch moralisch.<br />
So entsteht <strong>der</strong> Eindruck, Geist und Kultur, Gott und Glaube seien überflüssig gewesen,<br />
es lebe sich ganz gut ohne sie.<br />
Es hat sich als Nihilist schon immer gut unter dem Dach christlicher Werte gelebt.<br />
Sogar für den Playboy ist die Treue seiner Freundinnen selbstverständlich, und auch <strong>der</strong><br />
Bankräuber vertraut auf die Sicherheit <strong>der</strong> Bank, bei <strong>der</strong> er das geraubte Geld anlegt.<br />
Noch ist das Dach unserer untergegangenen Kultur über uns. Noch gewährt es Schutz.<br />
Wir haben zwar seine Pfeiler gesprengt, und es fällt schon auf uns nie<strong>der</strong>, aber die Trägheit<br />
<strong>der</strong> Masse gewährt uns unter seinem Fallen noch einen Herzschlag lang trügerische<br />
Sicherheit.<br />
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