Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
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Die kausale Sprache<br />
Das Ausdrucksmittel des Geistes ist die Sprache. Sie ist sein Abbild.<br />
Die menschliche Sprache dient nicht nur <strong>der</strong> Kommunikation, son<strong>der</strong>n sie ist auch ein<br />
Identifikationssystem.<br />
So wie das Subjekt alles definiert, so bezeichnet seine Sprache alles.<br />
Es ist kein Zufall, dass die Sprache – das Wort – im christlichen Glauben eine Hauptrolle<br />
spielt, und nicht etwa die sprach- und gedankenlose religiöse Versenkung, die Meditation.<br />
Gott selbst wird im Johannesprolog als <strong>der</strong> Logos vorgestellt, als die Sprache,<br />
als das sinnvolle Wort.<br />
Gott sprach, und es geschah.<br />
Die menschliche Sprache dient dem Unterscheiden, das heißt, dem wi<strong>der</strong>spruchsfreien<br />
Definieren von Bewusstseinsinhalten. Sie weist jedem Wahrgenommenen und jedem<br />
Gedachten in freier Entscheidung seinen unverwechselbaren Platz zu. Deshalb lässt sich<br />
in einer Sprache immer alles sagen – auch das, was bisher noch keiner gesagt hat.<br />
Ohne Sprache hätten wir keinen Geist und ohne Geist keine Sprache.<br />
Die Kommunikation mit an<strong>der</strong>en dient <strong>der</strong> Abstimmung unserer Definitionen mit denen<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en, und das geschieht durch Identifikation mit <strong>der</strong> gemeinsamen Sprache. Ein<br />
Identifikationssystem, mit dem sich viele identifizieren, ist stabiler als eins, das ich mir<br />
selbst für mich allein mache.<br />
Ich „verstehe“ mich mit an<strong>der</strong>en mehr o<strong>der</strong> weniger gut, das heißt, ich identifiziere mich<br />
mit an<strong>der</strong>en – und sie sich mit mir – mehr o<strong>der</strong> weniger stark.<br />
Wer sein Weltbild mit keinem an<strong>der</strong>en teile, ist in den Augen <strong>der</strong>er, die sich zu Millionen<br />
ein an<strong>der</strong>es Weltbild teilen, verrückt, und er läuft Gefahr, von ihnen in eine Heilanstalt<br />
o<strong>der</strong> ein Umerziehungslager eingewiesen zu werden.<br />
In dem Grad, wie das Subjekt verleugnet wird, nimmt auch die Identifikation – das<br />
Verstehen – ab. Kausale Menschen können und wollen sich nicht identifizieren, nicht<br />
verstehen und nicht verstanden werden. Sie wollen mit <strong>der</strong> Sprache nur noch Informationen<br />
austauschen.<br />
Identifikation mit <strong>der</strong> Sprache und mit an<strong>der</strong>en würde sie zu verantwortlichen Subjekten<br />
machen, würde ihnen Liebe aufnötigen, würde ihnen ihre Schuld ins Bewusstsein rufen.<br />
Das wollen sie nicht.<br />
Sie betrachten den Mitmenschen viel lieber nur als Objekt, das heißt, als mehr o<strong>der</strong> weniger<br />
taugliches Werkzeug zur Verwirklichung <strong>der</strong> eigenen Interessen.<br />
Aus diesem Grund geht auch die Sprache als universelles Identifikations- und Definitionssystem<br />
verloren. Wi<strong>der</strong>sprüche, die in einem intakten Sprachsystem sofort aufgelöst<br />
würden, bleiben bestehen.<br />
Mit dem Geist ist auch das abstrakte Denken verschwunden.<br />
Man versucht das mit dem Dogma zu vertuschen, die Welt sei eben wi<strong>der</strong>sprüchlich.<br />
Das Wi<strong>der</strong>sprüchliche liegt aber an <strong>der</strong> Sprache, nicht an <strong>der</strong> Welt. Wi<strong>der</strong>sprüchlich –<br />
das Wort sagt es schon – kann etwas nur in <strong>der</strong> Sprache sein.<br />
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