Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
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Da Subjektsysteme nach dem Muster von Subjekten geschaffen sind, können sie ebenso<br />
wie diese in an<strong>der</strong>en Subjektsystemen objektiviert werden.<br />
Was dem einen das höchste Subjekt ist – das Subjektsystem <strong>der</strong> <strong>Natur</strong>wissenschaften,<br />
<strong>der</strong> Römischen Kirche, des Schachklubs –, das ist für den an<strong>der</strong>en nur klägliches Objekt<br />
seiner Verachtung.<br />
Für einen Monotheisten ist Gott höchstes, allein anbetungswürdiges Subjekt, für einen<br />
Atheisten ist er nicht nur kein Subjekt, son<strong>der</strong>n nur ein Objekt des Spotts, und ein fiktives<br />
dazu.<br />
Wie ein Subjekt definiert ein Subjektsystem in seinem Zuständigkeitsbereich immer<br />
alles. Ein Subjektsystem mag einen größeren Horizont haben als ein an<strong>der</strong>es, aber sein<br />
Horizont ist immer geschlossen.<br />
Wer die von einem an<strong>der</strong>en Subjektsystem definierten Objekte begreifen will, muss sich<br />
mit ihm identifizieren – genau so, wie er sich mit einer an<strong>der</strong>en Person identifizieren<br />
muss, wenn er sie verstehen will.<br />
Wer seinen Nächsten verstehen will, muss ihn lieben.<br />
Kaum einer lebt in seinem Subjektsystem – mit seiner Religion im weitesten Sinn –<br />
allein. Wer kein Kaspar Hauser ist, teilt es mit an<strong>der</strong>en: Mit nahen Menschen, mit denen<br />
er sich „versteht“, das heißt, identifiziert. Und die sich mit dem gleichen Subjektsystem<br />
identifizieren. Mit Menschen <strong>der</strong> gleichen Sprache, Kultur, Religion. Mit Anhängern <strong>der</strong><br />
gleichen Partei, des gleichen Vereins.<br />
Der Mensch braucht Identifikation mit an<strong>der</strong>en, um seine Interpretation – Definition –<br />
<strong>der</strong> Welt mit an<strong>der</strong>en abzustimmen. Er muss sich dieser Identifikation immer wie<strong>der</strong><br />
neu rückversichern.<br />
Deshalb reden und hören, schreiben und lesen die Leute so viel.<br />
In <strong>der</strong> Identifikation mit an<strong>der</strong>en wird sich das Subjekt seiner eigenen Identität gewiss.<br />
Es schafft sich zusammen mit an<strong>der</strong>en eine gemeinsame „objektive“ Außenwelt, objektiv<br />
deshalb, weil sie für alle Beteiligten identisch ist – wenigstens ungefähr.<br />
Identifikation ist eine Sache des Geistes.<br />
Der naturgläubige, <strong>der</strong> kausale Mensch, <strong>der</strong> den Geist leugnet, identifiziert sich nicht, er<br />
gleicht sich nur an. Er verhält sich gleich, wie eine Herde Tiere.<br />
Er versteht sich als Objekt unter Objekten und verhält sich auch so. Sein Leben wird<br />
nach dem freien Spiel <strong>der</strong> Kräfte bestimmt, er folgt in seinem Verhalten den <strong>Natur</strong>gesetzen,<br />
seinen Gefühlen und Trieben.<br />
Natürlich ist <strong>der</strong> „Objektmensch“ nicht an<strong>der</strong>s gebaut als <strong>der</strong> „Subjektmensch“. Auch er<br />
ist seinem Wesen nach ein Subjekt. Aber er leugnet es.<br />
Der Subjektmensch denkt und handelt unabhängig vom freien Spiel <strong>der</strong> Kräfte. Er<br />
gleicht sich an<strong>der</strong>en nicht an, son<strong>der</strong>n versucht, sich mit ihnen durch Identifikation zu<br />
verstehen und mit ihnen „die gleiche Sprache“ zu sprechen.<br />
Der kausale Mensch versteht niemanden und wird auch von niemandem verstanden. Er<br />
weiß gar nicht, was Verstehen bedeutet.<br />
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