18.07.2013 Aufrufe

Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus

Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus

Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Wir haben uns nur arrangiert.<br />

Wir sind mit <strong>der</strong> <strong>Natur</strong> versöhnt. Denn wir sind jetzt selbst <strong>Natur</strong>. Es ist die größte Revolution<br />

in <strong>der</strong> Geschichte: Was oben war, ist jetzt unten, was unten war, oben.<br />

Seiner <strong>Natur</strong> zu folgen ist nicht mehr Sünde, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> höchste Wert. Seiner <strong>Natur</strong><br />

nicht zu folgen, ist ein Verbrechen.<br />

Was früher gut war, ist jetzt schlecht, was schlecht war, ist gut.<br />

Untreue ist gesund, Treue macht krank, <strong>der</strong> neue Mensch ist nur noch eine Tierart.<br />

Die Evolution, sonst immer auf Fortschritt abonniert, hat einen mächtigen Salto rückwärts<br />

gemacht, sie hat den von ihr angeblich erfundenen Geist wie<strong>der</strong> verworfen: Aus<br />

<strong>der</strong> göttlichen Rechtfertigung durch Glauben – Kulminationspunkt menschlicher Kultur<br />

– wurde wie<strong>der</strong> die Rechtfertigung durch Unglauben, wie sie die Primaten schon einmal<br />

hatten.<br />

Denn Tiere sündigen nicht.<br />

Eine solche Regression, ein solch dramatischer Absturz, war nur von <strong>der</strong> christlichen<br />

Kultur aus möglich.<br />

Nur mit <strong>der</strong> christlichen Kultur haben wir die <strong>Natur</strong>wissenschaften hervorbringen können,<br />

denn nur in <strong>der</strong> christlichen Kultur konnte sich die Materie zu einem scheinbar von<br />

Gott unabhängigen, autonomen Reich – <strong>der</strong> Objektivität – verselbständigen.<br />

Die Gottlosigkeit ist ausschließlich eine Errungenschaft des Christentums, und nur die<br />

christliche Gottlosigkeit hat den kausalen Menschen hervorbringen können.<br />

Ohne erniedrigende fremde Hilfe, ohne fromme Werke, ohne Gnade, ohne jede Verpflichtung<br />

gegenüber irgendeinem Gott, haben wir den schuldigen Menschen in einen<br />

unschuldigen verwandelt.<br />

Durch seinen Sündenfall hatte Adam den Geist nur zum Sklaven <strong>der</strong> <strong>Natur</strong> gemacht, <strong>der</strong><br />

unablässig nach Befreiung strebte.<br />

Wir aber haben ihn vollends abgeschafft.<br />

Das soll uns mal einer nachmachen!<br />

Das Wort Sünde wird in seiner eigentlichen Bedeutung nicht mehr verwendet. Es wurde<br />

vom Sün<strong>der</strong> getrennt und bezeichnet jetzt etwas eher Schönes: Erotik. Der Sün<strong>der</strong> ohne<br />

Sünde kommt nur noch in einer weltlichen Niedlichkeitsform daher: als Verkehrs-,<br />

Steuer- und Umweltsün<strong>der</strong>. Man streichelt ihn mit kleinen Geldbußen.<br />

Erotik halten nur Spießer für verwerflich, und <strong>der</strong> Verkehrssün<strong>der</strong> braucht keinen Gott,<br />

son<strong>der</strong>n nur ein wenig Bußgeld.<br />

Wo kein Wasser mehr da ist, da ertrinkt auch keiner mehr. Und wo keiner mehr ertrinkt,<br />

da sind Retter nicht gefragt.<br />

Von <strong>der</strong> einstigen Schuld sind nur noch Schuldgefühle übriggeblieben. Für Gefühle<br />

kann man nichts. Um sie vollends loszuwerden, hat die nachchristliche Kultur ein dicht<br />

geknüpftes Netz von Psychotherapeuten geschaffen.<br />

68

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!