Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
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Depression – Kopfstand <strong>der</strong> Seele<br />
Zwischen lauter Objektmenschen gerät <strong>der</strong> Subjektmensch immer mehr unter Druck.<br />
Alleingelassen, umgeben von einem Meer <strong>der</strong> Objektivität, zweifelt er zunehmend an<br />
sich selbst.<br />
Immer öfter stellt sich ihm die Frage: Bin ich denn überhaupt das Subjekt, und ist die<br />
Welt mein Objekt – o<strong>der</strong> ist es nicht vielmehr umgekehrt? Denn in <strong>der</strong> synthetischen,<br />
gleichgemachten Wirklichkeit erkennt er immer deutlicher die Züge eines Subjekts.<br />
Die Weltmaschine als Konkurrenz des Geistes.<br />
Die Verführung, sich als Subjekt selbst aufzugeben, wird immer größer.<br />
Lässt sich das Subjekt von <strong>der</strong> Verobjektungswelle erfassen und zum Objekt machen, so<br />
kehren sich die Machtverhältnisse in ihm plötzlich um. Die Gesetze des Subjekts sind ja<br />
denen des Objekts entgegengesetzt.<br />
Alles steht Kopf. – O<strong>der</strong>, so die bange Frage, kommt es vielleicht erst auf die Füße?<br />
Statt einer Identität braucht das Objekt gewordene Subjekt plötzlich, wie jedes Objekt,<br />
eine Definition. Über die verfügt es aber nicht, weil es sie als Subjekt nicht nötig hatte.<br />
Vorher war es ein Individuum, an<strong>der</strong>s als alle an<strong>der</strong>en, und hatte das als selbstverständlich<br />
empfunden. Jetzt entdeckt es sich plötzlich als Außenseiter. Es sitzt zwischen allen<br />
Stühlen und hat keinen Platz mehr in <strong>der</strong> Welt.<br />
Panik kommt auf.<br />
Denn <strong>der</strong> kausale Mensch kann nur sein, wenn er an<strong>der</strong>en gleicht. Er muss einen Beruf<br />
haben wie die an<strong>der</strong>en, er muss gekleidet sein wie die an<strong>der</strong>en. Er muss denken und<br />
lieben und hassen wie die an<strong>der</strong>en. Ohne Gleichheit mit den an<strong>der</strong>en ist er nichts.<br />
Das kausale Subjekt verfügt aber über keine Gleichheit, als Person war es ja nicht<br />
gleich, son<strong>der</strong>n es hatte im Gegenteil eine Identität, die es von allen an<strong>der</strong>en unterschied.<br />
Es war unvergleichlich.<br />
Als Objekt ist es einsam, es kann sich unter an<strong>der</strong>en Objekten nicht behaupten und wird<br />
von ihnen erdrückt.<br />
Wie kann ich als Einzelner gegen die ganze Macht <strong>der</strong> <strong>Natur</strong>gesetze bestehen? Wie<br />
konnte ich je auf die verrückte Idee kommen, an<strong>der</strong>s sein zu wollen als alle an<strong>der</strong>en?<br />
Als Individuum, so wird mir bewusst, war ich <strong>der</strong> größte Narr aller Zeiten. Und jetzt ist<br />
es zu spät. Ich kann niemals mehr so werden wie sie.<br />
Lauter nicht wie<strong>der</strong> gutzumachende Versäumnisse.<br />
So beginnt eine Depression.<br />
Autoren wie Kierkegaard, Kafka, Camus haben die Depressionen des kausal geworden<br />
Subjekts erlebt und beschrieben.<br />
Expressionisten, Abstrakte, Surrealisten haben sie gemalt. Der menschliche Geist, seiner<br />
<strong>Herrschaft</strong>sfunktion entkleidet, als sinnloses Objekt unter sinnlosen Objekten, den Blick<br />
ins Leere gerichtet. Ihre Persönlichkeit löst sich auf in lauter fabrikmäßig genormte Einzelteile.<br />
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