Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
Herrschaft der Natur - Wagn, Klaus
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Wie je<strong>der</strong> Aberglaube ist er wi<strong>der</strong>sprüchlich. Er erhebt den Zweifel zum Dogma, lässt<br />
aber an sich selbst keinen Zweifel zu.<br />
Keine Religion maßt sich an, alles erklären zu können – nur die <strong>Natur</strong>wissenschaften.<br />
We<strong>der</strong> die Bibel noch <strong>der</strong> Koran lehren Kernphysik. We<strong>der</strong> Buddha noch Brahma haben<br />
sich über Integralrechnung ausgelassen.<br />
Nur die <strong>Natur</strong>wissenschaften maßen sich eine universelle Zuständigkeit an, in Fragen<br />
von <strong>der</strong> Erschaffung <strong>der</strong> Welt bis zur Nächstenliebe, von <strong>der</strong> Sünde bis zur Auferstehung<br />
Christi.<br />
Aber ihre Legitimation bleiben sie uns schuldig.<br />
Sie lehnen Wun<strong>der</strong> kategorisch ab, verlangen aber von ihren Anhängern den Glauben an<br />
das größte Wun<strong>der</strong> aller Zeiten, nämlich dass sich die Welt aus nichts selbst erschaffen<br />
hat. Solchen Glauben verlangt keine an<strong>der</strong>e Religion.<br />
Der im Himmel wohnt, lacht ihrer, und <strong>der</strong> Herr spottet ihrer. 7<br />
Wenn die <strong>Natur</strong>wissenschaften nicht so blind wären, müssten sie nicht in ihre Grenzen<br />
gewiesen werden, denn sie sind längst selbst darauf gestoßen.<br />
Schon zu Beginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts hatte Max Planck entdeckt, dass <strong>der</strong> Zeitpunkt<br />
des Zerfalls eines bestimmten Atoms prinzipiell unvorhersagbar ist und sich so den <strong>Natur</strong>wissenschaften<br />
entzieht.<br />
Fünfundzwanzig Jahre später hat Werner Heisenberg diese Aussage durch seine „Unbestimmtheitsrelation“<br />
für Elementarteilchen bestätigt. – Ganz klar: Unikate sind nicht<br />
berechenbar, weil sie nicht gleich sind.<br />
Nur Gleiches verhält sich gleich, die <strong>Natur</strong>gesetze gelten nicht für Ungleiches.<br />
Damit war bewiesen, dass sich nicht nur <strong>der</strong> Geist den <strong>Natur</strong>wissenschaften entzieht.<br />
Auch die Randzonen <strong>der</strong> <strong>Natur</strong>, <strong>der</strong> Materie, sind nicht kausal bestimmt und verlieren<br />
sich im Irrationalen: Nur große Mengen an Materie sind gleich.<br />
Alles Berechenbare berührt das Unberechenbare, alles Sichtbare grenzt an das Unsichtbare.<br />
Ehrliche <strong>Natur</strong>wissenschaftler wissen das.<br />
Der Anteil des Irrationalen in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Mikrophysik geht gegen hun<strong>der</strong>t Prozent –<br />
und in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Theologie gegen Null.<br />
Die <strong>Natur</strong>gesetze weisen nicht vom Geist weg, wie die Wissenschaftsgläubigen meinen,<br />
son<strong>der</strong>n auf ihn hin. Sie wi<strong>der</strong>legen den Glauben ans Irrationale nicht, son<strong>der</strong>n setzen<br />
ihn voraus.<br />
Die <strong>Natur</strong>gesetze sind ein Wun<strong>der</strong>.<br />
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