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Geniebegriffe - Hans-Joachim Lenger

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chaischen Gesellschaft, mag die Situation der Künstler und Schriftsteller<br />

sehr vielfältig gewesen sein; auf jeden Fall aber standen sie im<br />

Dienste der archaischen Souveränität, die wir als eine wirkliche verstehen<br />

müssen, denn die Subjektivität war an etwas, eine Institution<br />

(an eine gegebene objektive Realität) gebunden. Es bedurfte dieses<br />

Dienstes, weil der Souverän außerstande war, selbst, mit eigenen<br />

Mitteln, diese Subjektivität auszudrücken, die, da sie die verobjektivierte<br />

Subjektivität aller war, allen mitgeteilt werden mußte: dies Prinzip<br />

galt gleichermaßen für die Könige, für die Priester und die Priesterkollegien.<br />

Die Würdenträger konnten reden, aber sie konnten sich<br />

ebensogut der Stimme eines anderen bedienen. Standen sie nicht<br />

ihrerseits im Dienste einer souveränen Wirklichkeit, einer Institution,<br />

die über ihre Person hinausging und die sie nur vorübergehend inkarnierten?<br />

In diesem sakralen System konnten Widersprüche auftreten,<br />

ein Einzelmensch konnte sich sagen, daß er über die Köpfe derer<br />

hinweg, die die Souveränität zu inkarnieren behaupteten, der<br />

wahren, von ihren Inkarnationen unabhängigen Souveränität diente.<br />

Aber damit wurde nichts an dem Prinzip geändert. Schriftsteller und<br />

Künstler dienten auf jeden Fall einer von der eigenen Subjektivität<br />

unabhängigen, wirklichen Souveränität, auch wenn sie affektiv mit<br />

jener eins waren.<br />

3. Profane Kunst und Literatur<br />

Mit dem Niedergang der sakralen Welt und der Entfaltung der profanen<br />

Gesellschaft schien es so, daß auch Literatur und Kunst profane<br />

Formen annahmen. Aber war dies vorgeblich Profane je etwas anderes<br />

als eine heruntergekommene Form des Sakralen? In all ihrer imposanten<br />

Vielheit vermögen die profane Kunst und Literatur doch nur<br />

einen Ersatz jener Emotionen zu evozieren, die man zuvor im Heiligtum,<br />

in dem sich das Göttliche offenbarte, erfuhr.<br />

Es ist schwierig, in wenigen Worten zu beschreiben, was die profane<br />

Kunst auszudrücken vermag. Das einzig allgemeine Merkmal ist ihre<br />

äußerste Vielfalt.<br />

Lächerlichkeit und Konfusion lösen sie unablässig auf. Und doch<br />

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hört sie nicht auf, die ursprüngliche Funktion der Kunst zu erfüllen,<br />

Ausdruck der Subjektivität zu sein, jener Subjektivität, die von Anbeginn<br />

sich als der Zweck aller Gegenstände setzte.<br />

Das ist der entscheidende Punkt: das Sakrale und das Profane unterscheiden<br />

sich durch ihre formale Diskontinuität, so daß sie deutlich<br />

in Gegensatz zueinander stehen. Wenn wir hingegen sakrale und<br />

profane Kunst gegeneinander abgrenzen wollen, so fehlt diese Diskontinuität.<br />

* Manchmal grenzt die profane Kunst an die sakrale und<br />

* Ebensowenig gibt es eine Diskontinuität im Verhältnis von profaner zu<br />

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