Geniebegriffe - Hans-Joachim Lenger
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vermittelt nichts, erwirkt kein Band; in ihm pocht - vielleicht wie<br />
im Kuß, jedoch an der Grenze - ein singulärer Ort gegen andere<br />
singuläre Orte." 54 Ein Pochen also, wie im Kuß, doch an der<br />
Grenze; weder "drinnen" noch "draußen" und schon gar nicht<br />
kommunikativ zu übertragen oder architektonisch zu begründen.<br />
Eher handelt es sich im Innern der Kommunikation um ein<br />
Ausgesetzt-Sein, um eine Exteriorität, die alles, was wir uns<br />
mitteilen mögen, aus den unabschließbaren Irrfahrten einer Mitteilbarkeit<br />
auf uns zukommen läßt, die ihrerseits ohne Grund ist.<br />
Diese Mitteilbarkeit läßt sich deshalb auch weder auf die Ordnung<br />
eines Codes noch auf ein technisches oder technologisches<br />
Apriori zurückführen, doch ist sie andererseits auch<br />
nichts außerhalb dieser Ordnungen: weder diesseits noch jenseits<br />
solcher Grenzen zu verorten, ist sie Spiel der Grenzen<br />
selbst, das ein "Innen" und "Außen" erst ermöglicht.<br />
Ich vermute, daß sich die Frage nach der Kunst in diesem Ausgesetzt-Sein<br />
ankündigen wird, in dieser Spur eines Nicht-<br />
Mitteilbaren, von dem alle Mitteilung rührt. Doch um zugleich<br />
die nötige Vorsicht walten zu lassen: was sich hier als Ausgesetzt-Sein<br />
umschreibt, als Irrfahrt oder als Grenze, die sich unaufhörlich<br />
entgrenzt, erlaubt nicht schon jenes Anschauen, das<br />
die Griechen theoría nannten. Es stellt ebenso wenig schon<br />
etwas dar, was sich einem künstlerischen Anschauen darböte.<br />
Wo diese Spur einer sich entgrenzenden Grenze in der philosophischen<br />
oder ästhetischen Tradition reflektiert wurde, da<br />
vielmehr als Entzug oder als Verschwinden; als etwas, dessen<br />
der Wille zur Präsenz nicht habhaft werden konnte.<br />
Vielleicht aber wird an diesem Punkt auch deutlicher, wohin<br />
Lyotards paradoxe Empfehlung weist, der Kampf um das Nicht-<br />
Kommunizierbare werde hauptsächlich von den Künstlern geführt,<br />
und um ihn führen zu können, sei es geradezu notwendig,<br />
keine Theorie zu haben. Es mag ebenso deutlicher werden, in<br />
welcher Weise sich im Innern der Kommunikation oder an ihrer<br />
äußersten Grenze, am undarstellbaren Ort einer Nicht-<br />
Entscheidbarkeit also, aus dem die Frage der Gemeinschaft auf<br />
sich zukommt, sich auch die Frage der Kunst situiert. Wohlgemerkt:<br />
Nicht die Frage nach der Kunst, was wiederum eine<br />
Theorie implizieren würde, sondern die Frage der Kunst.<br />
Denn in einer sehr bestimmten Weise ist diese Frage nicht<br />
einmal zu stellen, geschweige denn, daß über sie verfügt werden<br />
könnte. Im gleichen Augenblick, in dem der Begriff einsetzen<br />
wollte, ihrer habhaft zu werden und sie in das Gefüge eines<br />
Systems zu übertragen, hätte sich die Frage der Kunst schon<br />
zurückgezogen. Dies rührt aus dem, was Nancy die Undarstell-<br />
54 Jean-Luc Nancy, Die undarstellbares Gemeinschaft, Stuttgart 1988, S.68<br />
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