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Geniebegriffe - Hans-Joachim Lenger

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aus dem Nichts hervorzubringen. Ihr vulgärer Begriff, der absoluter<br />

Erfindung, ist das genaue Korrelat zum neuzeitlichen Wissenschaftsideal<br />

als der strikten Reproduktion eines bereits Vorhandenen; an<br />

dieser Stelle hat die bürgerliche Arbeitsteilung einen Graben gezogen,<br />

der ebenso die Kunst von jeglicher Vermittlung zur Realität<br />

trennt wie die Erkenntnis von allem, was jene Realität irgend transzendiert.<br />

Bedeutenden Kunstwerken war jener Phantasiebegriff wohl<br />

nie wesentlich; die Erfindung etwa von Phantasiewesen in aller neueren<br />

bildenden Kunst subaltern, der angeflogene musikalische Einfall,<br />

als Moment nicht zu leugnen, so lange kraftlos, wie er nicht durch<br />

das, was aus ihm wird, sein pures Vorhandensein überflügelt. Ist in<br />

den Kunstwerken alles und noch das Sublimste an das Daseiende<br />

gekettet, dem sie sich entgegenstemmen, so kann Phantasie nicht<br />

das billige Vermögen sein, dem Daseienden zu entfliehen, indem sie<br />

ein Nichtdaseiendes setzt, als ob es existierte.<br />

/259/<br />

Vielmehr rückt Phantasie, was immer die Kunstwerke an Daseiendem<br />

absorbieren, in Konstellationen, durch welche sie zum Anderen<br />

des Daseins werden, sei es auch allein durch dessen bestimmte Negation.<br />

Sucht man, wie die Erkenntnistheorie es taufte, in phantasierender<br />

Fiktion irgendein schlechterdings nichtseiendes Objekt sich<br />

vorzustellen, so wird man nichts zuwege bringen, was nicht in seinen<br />

Elementen und selbst in Momenten seines Zusammenhangs reduktibel<br />

wäre auf irgendwelches Seiende. Nur im Bann totaler Empirie<br />

erscheint, was dieser qualitativ sich entgegensetzt, doch wiederum<br />

als nichts anderes denn ein Daseiendes zweiter Ordnung nach dem<br />

Modell der ersten. Einzig durchs Seiende hindurch transzendiert<br />

Kunst zum Nichtseienden; sonst wird sie hilflose Projektion dessen,<br />

was ohnehin ist. Demgemäß ist Phantasie in den Kunstwerken keineswegs<br />

auf die jähe Vision beschränkt. So wenig Spontaneität von<br />

ihr wegzudenken ist, so wenig ist sie, der creatio ex nihilo das Nächste,<br />

das Ein und Alles der Kunstwerke. Der Phantasie mag primär im<br />

Kunstwerk ein Konkretes aufblitzen, zumal bei<br />

den Künstlern, deren Produktionsprozeß von unten nach oben führt.<br />

Ebenso jedoch wirkt Phantasie in einer Dimension, die dem Vorurteil<br />

für abstrakt gilt, im quasi leeren Umriß, der dann durch die >Arbeit

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