Geniebegriffe - Hans-Joachim Lenger
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stets zu unterbrechen, willkürlich anzufangen, fortzugehen, zu enden,<br />
eine Reihe von Witzen und Empfindungen bunt durcheinanderzuwürfeln<br />
und dadurch Karikaturen der Phantasie zu erzeugen ist leichter,<br />
als ein in sich gediegenes Ganzes im Zeugnis des wahren Ideals aus<br />
sich zu entwickeln und abzurunden. Der gegenwärtige Humor aber<br />
liebt es, die Widerwärtigkeit eines ungezogenen Talentes herauszukehren,<br />
und schwankt von wirklichem Humor denn auch ebensosehr<br />
zur Plattheit und Faselei herüber. Wahrhaften Humor hat es selten<br />
gegeben; jetzt aber sollen die mattesten Trivialitäten, wenn sie nur<br />
die äußere Farbe und<br />
Prätention des Humors haben, für geistreich und tief gelten. Shakespeare<br />
dagegen hat großen und tiefen Humor, und dennoch fehlt es<br />
auch bei ihm nicht an Flachheiten. Ebenso überrascht auch Jean<br />
Pauls Humor oft durch die Tiefe des Witzes und Schönheit der Empfindung,<br />
ebensooft aber auch in entgegengesetzter Weise durch barocke<br />
Zusammenstellungen von Gegenständen, welche zusammenhangslos<br />
auseinanderliegen und deren Beziehungen, zu welchen der<br />
Hum or sie kombiniert, sich kaum entziffern lassen. Dergleichen hat<br />
selbst der größte Humorist nicht im Gedächtnis prαsent, und so sieht<br />
man es denn auch den Jean Paulschen Kombinationen häufig an,<br />
daß sie nicht aus der Kraft des Genies hervorgegangen, sondern<br />
äußerlich zusammengetragen sind. Jean Paul hat deshalb auch, um<br />
immer neues Material zu haben, in alle Bücher der verschiedensten<br />
Art, botanische, juristische, Reisebeschreibungen, philosophische,<br />
hineingesehen, was ihn frappierte, sogleich notiert, augenblickliche<br />
Einfälle dazugeschrieben und, wenn es nun darauf ankam, selber<br />
ans Erfinden zu gehen, äußerlich das Heterogenste — brasilianische<br />
Pflanzen und das alte Reichskammergericht — zueinandergebracbt.<br />
Das ist dann besonders als Originalität gepriesen oder als Humor,<br />
der alles und jedes zulasse, entschuldigt worden. Die wahre Originalität<br />
aber schließt solche Willkür gerade von sich aus.<br />
Bei dieser Gelegenheit können wir denn auch wieder der Ironie gedenken,<br />
welche sich hauptsächlich dann als die höchste Originalität<br />
auszugeben liebt, wenn es ihr mit keinem Inhalt mehr Ernst ist und<br />
sie ihr Geschäft des Spaßes nur des Spaßes wegen teibt. Nach einer<br />
anderen Seite hin bringt sie in ihren Datstellungen eine Menge Äußerlichkeiten<br />
zusammen, deren innersten Sinn der Dichter für sich<br />
behält, wo denn die List und das Große darin bestehen soll, daß die<br />
Vorstellung verbreitet wird, gerade in diesen Zusammentragungen<br />
und Äußerlichkeiten sei die Poesie der Poesie und alles Tiefste und<br />
Vortrefflichste verborgen, das sich nur eben seiner Tiefe wegen nicht,<br />
aussprechen lasse. So wurde z. B.<br />
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in Friedrich von Schlegels Gedichten zur Zeit, als er sich einbildete,<br />
ein Dichter zu sein, dies Nichtgesagte als das Beste ausgegeben;<br />
doch diese Poesie der Poesie ergab sich gerade als die platteste<br />
Prosa.<br />
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