05.09.2013 Aufrufe

Geniebegriffe - Hans-Joachim Lenger

Geniebegriffe - Hans-Joachim Lenger

Geniebegriffe - Hans-Joachim Lenger

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Verwandtschaft desselben mit andern ausdrücken, Attribute (ästhetische)<br />

eines Gegenstandes, dessen Begriff, als Vernunftidee, nicht<br />

adäquat dargestellt werden kann. So ist der Adler Jupiters mit dem<br />

Blitze in den Klauen, ein Attribut des mächtigen Himmelskönigs, und<br />

der Pfau der prächtigen Himmelskönigin. Sie stellen nicht, wie die<br />

logischen Attribute, das was in unsern Begriffen von der Erhabenheit<br />

und Majestät der Schöpfung liegt, sondern etwas anderes vor, was<br />

der Einbildungskraft Anlaß gibt, sich über eine Menge von verwandten<br />

Vorstellungen zu verbreiten, die mehr denken lassen, als man in<br />

einem durch Worte bestimmten Begriff ausdrücken kann; und geben<br />

eine ästhetische Idee, die jener Vernunftidee statt logischer Darstellung<br />

dient, eigentlich aber um das Gemüt zu beleben, indem sie ihm<br />

die Aussicht in ein unabsehliches Feld verwandter Vorstellungen<br />

/252/<br />

eröffnet. Die schöne Kunst aber tut dieses nicht allein in der Malerei<br />

oder Bildhauerkunst (wo der Namen der Attribute gewöhnlich gebraucht<br />

wird); sondern die Dichtkunst und Beredsamkeit nehmen den<br />

Geist, der ihre Werke belebt, auch lediglich von den ästhetischen<br />

Attributen der Gegenstände her, welche den logischen zur Seite gehen,<br />

und der Einbildungskraft einen Schwung geben, mehr dabei,<br />

obzwar auf unentwickelte Art, zu denken, als sich in einem Begriffe,<br />

mithin in einem bestimmten Sprachausdrucke, zusammenfassen läßt.<br />

– Ich muß mich der Kürze wegen nur auf wenige Beispiele einschränken.<br />

Wenn der Große König sich In einem seiner Gedichte so ausdrückt:<br />

»Laßt uns aus dem Leben ohne Murren weichen und ohne etwas zu<br />

bedauern, indem wir die Welt noch alsdann mit Wohltaten überhäuft<br />

zurücklassen. So verbreitet die Sonne, nachdem sie ihren Tageslauf<br />

vollendet hat, noch ein mildes Licht am Himmel; und die letzten<br />

Strahlen, die sie in die Lüfte schickt, sind ihre letzten Seufzer für das<br />

Wohl der Welt«: so belebt er seine Vernunftidee, von weltbürgerlicher<br />

Gesinnung noch am Ende des Lebens, durch ein Attribut, welches<br />

die Einbildungskraft (in der Erinnerung an alle Annehmlichkeiten eines<br />

vollbrachten schönen Sommertages, die uns ein heiterer Abend<br />

ins Gemüt ruft) jener Vorstellung beigesellt, und welches eine Menge<br />

von Empfindungen und Nebenvorstellungen rege macht, für die sich<br />

kein Ausdruck findet. Andererseits kann sogar ein intellektueller Begriff<br />

umgekehrt zum Attribut einer Vorstellung der Sinne dienen, und<br />

so diese letztern durch die Idee des Übersinnlichen beleben; aber<br />

nur, indem das ästhetische, was dem Bewußtsein des letztern subjektiv<br />

anhänglich ist, hiezu gebraucht wird. So sagt z.B. ein gewisser<br />

Dichter in der Beschreibung eines schönen Morgens: »Die Sonne<br />

quoll hervor, wie Ruh aus Tugend quillt«. Das Bewußtsein der Tugend,<br />

wenn man sich auch nur in Gedanken in die Stelle eines Tugendhaften<br />

versetzt, verbreitet im Gemüte eine Menge erhabener<br />

und beruhigender Gefühle, und eine grenzenlose Aussicht in eine<br />

frohe Zu-<br />

21

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!